Seite - 185 - in Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835 - Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Bild der Seite - 185 -
Text der Seite - 185 -
DER KERNBAU 185
den. Sie wurde später zusammen mit den Naturaliensammlungen im Augus-
tinertrakt am Josephsplatz aufgestellt und 1797 als „k. k. Physikal. Kunst
und Natur Kabinet“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.781 1802 oder
1810782 verlegte man das physikalische Kabinett erneut in den Schweizerhof;
1815 wurde es an das neugegründete polytechnische Institut abgegeben. Es
ist nicht ausgeschlossen, dass der in der obigen Quelle gebrauchte gleichlau-
tende Ausdruck sich auf die besagte Instrumentensammlung bezieht, doch
bestand in der Hofburg anscheinend noch eine zweite Einrichtung dieser
Art, die mit mehr Recht für die ursprüngliche Zweckwidmung des Gebäudes
der Privatbibliothek in Anspruch genommen werden darf.
Denn Gianluigi de Freddy beschreibt im ersten Teil seiner im Jahr 1800
erschienenen „Descrizione […] di Vienna“ ziemlich ausführlich eine Samm-
lung physikalischer Instrumente, die in dem 1793 errichteten Observato-
rium über dem ehemaligen Südturm des Schweizerhofes aufgestellt war.783
Nach seinen Angaben hätte Leopold II. den Astronomen Simon von Eberle,784
den er 1791 in Wien kennenlernte, beauftragt dieses physikalische Kabinett
für seinen privaten Gebrauch anzulegen („lo incarico di formare un Gabi-
netto di Fisica ad uso suo particolare“). Durch den unerwarteten Tod des
Kaisers wäre das Unternehmen kaum zur Ausführung gelangt, doch hätte
dessen Sohn und Nachfolger („Il Monarca Regnante“) für die Realisierung
des Planes und für die Errichtung des Observatoriums gesorgt, in dem das
neue Kabinett („nuovo Gabinetto“) untergebracht war.785 Durch Rechnungs-
belege im Archivfonds der Privatkasse Franz’ II. aus den 1790er Jahren
ist der Kauf physikalischer Instrumente durch Eberle auch tatsächlich be-
zeugt.786 Es ist aber nicht möglich, dass de Freddy die Sammlung mit dem
alten (lothringischen) physikalischen Kabinett verwechselt hat, dem Eberle
ebenfalls als Direktor vorstand, da sich dieses kurz vor 1800 nicht mehr im
Schweizerhof befand.787 Dafür, dass Leopold II. der eigentliche Initiator für
den Aufbau des Bestandes war, spricht schließlich der Umstand, dass dieser
noch als Großherzog von Toskana ein Museum der Physik und der Natur-
781 Darauf beziehen sich ein Eintrittsbillet, das den Fassadenaufriss dieses Traktes zeigt, und
zwei Grundrisspläne aus der Architektursammlung der Albertina: Az. 6635 und Az. 6636.
782 Fitzinger, Geschichte, 65.
783 De Freddy, Descrizione, 269–274.
784 Zu Eberle siehe Pärr, Hell, 22f.
785 De Freddy, Descrizione, 274, Anm. a). Dieselbe Angabe findet sich ohne Bezug auf De
Freddy bei Fitzinger, Geschichte, 63, und – auf jenen verweisend – bei Pärr, Hell, 22.
786 Die Rechnungen scheinen wiederkehrend ab 1792 auf. Vgl. ÖStA, HHStA, GDPFF 72.
787 Derlei Verwirrungen finden sich beispielsweise in Fitzinger, Geschichte, 63f., der sich der
in unserem Zusammenhang gegebenen Homonymie des Ausdrucks „physikalisches Kabi-
nett“ anscheinend nicht bewusst war.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630