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DIE BIBLIOTHEK ALS ARCHITEKTONISCHER
ORT186
geschichte in unmittelbarer Nähe des Palazzo Pitti einrichten ließ.788 Was
sich nicht mit Sicherheit entscheiden lässt, ist die Frage, ob die tatsächli-
che Realisierung des Planes noch unter Leopold oder aber erst unter Franz
begonnen wurde. Damit verbindet sich gleichzeitig die Problematik, ob der
Kern des Bauwerkes, das schließlich die Privatbibliothek beherbergen sollte,
möglicherweise bereits durch Leopold II. über dem Schlossergangtrakt er-
richtet wurde. Wir wissen es nicht. Fest steht jedenfalls, dass diese Räum-
lichkeit zunächst die Instrumentensammlung beherbergte, die nach der
Fertigstellung des anstelle des ehemaligen Südturmes des Schweizerhofes
aufgebauten Observatoriums in dieses übersiedelt wurde. Wenden wir uns
kurz diesem Bauwerk zu.
Das Observatorium über dem ehemaligen Südostturm des Schweizerho-
fes wurde vom 27. März bis zum 23. November 1793 errichtet789 und glie-
derte sich in mehrere Teile. Über dem um zwei Fensterachsen nach vorne
springenden Risalit erhob sich knapp über dem Dachansatz ein äußerlich
als hoher Kubus in Erscheinung tretender Saal, dessen Fassade durch lise-
nenartige Rahmungen der Fensterachsen gegliedert war790. In der Mitte der
dreiachsigen Front befand sich ein kleiner Balkon, der zunächst offen war,
später aber mit einem Glasverbau versehen wurde. Eine geschwungene At-
tika und der weiter hinten befindliche laternenartige Turmaufbau für mete-
orologische Beobachtungen betonten zusätzlich die Mittelachse. Hinter dem
Saal schloss ein etwas niedrigerer Raumkubus von ähnlicher Breite an, der
jedoch – vermutlich wegen des Dachansatzes der Schweizerhofflügel – nur
knapp zwei Drittel der Länge des ersteren besaß. Von diesem Raum führte
eine Treppe in das oberste Geschoss des Schweizerhofes. Die drei Räume, die
sich direkt unterhalb der beiden erwähnten Aufbauten befanden, dienten
ebenso wie diese der Ausstellung jener bereits erwähnten Sammlung von
788 Siehe dazu Contini/Gori, Reggia, 109–110. Innerhalb des Gebäudekomplexes befand sich
auch eine Sternwarte. Ziemlich gegensätzlich zu Leopolds naturwissenschaftlicher Sam-
meltätigkeit und seinen diesbezüglichen Ambitionen in Wien sind hingegen die Angaben
von Meermann, der dem Kaiser vorwirft, die Instrumente „zu verkaufen, theils zu zer-
streuen“: J[ohann van] Meermanns Freyherrn von Dalem Reise durch Preussen, Oester-
reich […] [Braunschweig 1794], 134.
789 ÖStA, HHStA, GDPFF ÄR 44 (alt 49), Nr. 3: „Ausgaben auf den bau des Observatoriums
neben der Terasse vermög des mit 63. beylagen belegten Ausweises des Hofbau Uiberge-
hers Franz Gruber / 27ten Mai bis 23. Novembers 793 … 16,710 f. 33 xr.“.
790 Diese geschichtete Fassadenstruktur ist typisch für die Zeit vor 1800; wir finden sie etwa
bei der Hoffassade der Liechtenstein’schen Reitschule und Bibliothek in der Herrengasse
sowie am Palais Modena auf der Landstraße und bei zahlreichen Bürgerhäusern Wiens.
Von Renate Wagner-Rieger wurde dafür der Ausdruck „Plattenstil“ geprägt. Vgl. Renate
Wagner-Rieger: Vom Klassizismus bis zur Sezession. In: Geschichte der Stadt Wien, Neue
Reihe VII/3 [Wien 1973] 95.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630