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DIE BIBLIOTHEK ALS ARCHITEKTONISCHER
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gehenden Vorbildwirkung Anlass gibt793 –, legt einen Vergleich der Lokalitä-
ten der beiden Büchersammlungen nahe. Die Lage der Privatbibliothek des
Großherzogs Pietro Leopoldo im Palazzo Pitti ist durch ein heute in den
staatlichen Archiven in Prag befindliches Konvolut an Grundrissplänen do-
kumentiert (Abb. 14a).794 Erläutern wir zunächst deren räumliche Situation:
Das Appartement des Großherzogs und seiner Gemahlin befand sich im Pi-
ano Nobile des Palastes, wo es die westlich an den Mittelsaal anschließende
hofseitige Raumfolge einnahm. In dem risalitartigen Vorsprung über dem
westseitigen Arkadenflügel lag abschließend ein kleiner runder Salon, das
1765–66 für die Großherzogin Maria Luisa eingerichtete „Gabinetto
tondo“.795 Neben diesem Raum führte eine kleine Treppe in das darüber lie-
gende Mezzanin, wo sich in vier Zimmern die Privatbibliothek des Großher-
zogs befand. Drei von diesen lagen ebenfalls in dem Gebäudevorsprung, der
wie die seitlichen Arkadenanbauten erst 1764 errichtet worden sein kann.
Auf der Grundlage dieser Beschreibung lassen sich nun folgende Paral-
lelen zwischen den Privatbibliotheken Pietro Leopoldos und seines Sohnes
Franz’ II./I. im Hinblick auf die Lage ihrer Räumlichkeiten ziehen (vgl. Abb.
14): 1. In beiden Fällen waren diese an das Appartement angebunden und
jedes Mal erfolgte der Zugang über die Räume der Herrscherin. 2. Der pri-
vate, intime Charakter der Bibliotheken entspricht ihrer entrückten Lage
mit beschränktem Zugang. 3. Sowohl in Florenz wie auch in Wien wurden
die Bibliotheksräume in Zubauten des Palastes eingefügt, die der neue Herr-
scher errichten ließ. Es handelte sich jeweils um mehrere Zimmer von unter-
schiedlicher Form und Größe. Auf Regelmäßigkeit in der Anlage wurde an-
scheinend kaum Wert gelegt, in Wien allerdings noch eher denn in Florenz.
Offensichtlich war die franziszeische Privatbibliothek kein Prachtbau,
sondern ein Zweckbau. Von der architektonischen und bildkünstlerischen
Üppigkeit der Barockbibliotheken, deren letzte Entwicklungsphase (im
klösterlichen Bereich) damals gerade erst zu Ende gegangen war, reflek-
tiert sie nichts mehr796. Auffällig ist der Unterschied in der Gestaltung der
793 Siehe dazu Kapitel 2.
794 Státní Ústřední Archiv v Praze, Rodinný Archiv Toskánských Habsburků 52. Die darin
enthaltenen Pläne zum Palazzo Pitti sind vollständig publiziert in: Contini/Gori, Reggia.
Die Nummern, die den einzelnen Räumen auf den Grundrissen zugeordnet und aufgrund
derer die Funktionen in den beigefügten Legenden erläutert sind, stimmen mit jenen in ei-
nem 1775 datierten Raumbuch des Palazzo Pitti im Staatsarchiv in Florenz genau überein
[ASF, Scrittoio delle Fortezze e Fabbriche, Fabbriche Lorenesi 524]. Die Privatbibliothek
des Großherzogs trägt dabei die Nr. 125.
795 Contini/Gori, Reggia, 31.
796 Von den Spätwerken unter den barocken Klosterbibliotheken in Mitteleuropa entstanden
die meisten in den 1760er und 1770er Jahren. Erwähnt seien die Bibliothek der Piaris-
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630