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GESCHICHTLICHE GROSSEREIGNISSE IM SPIEGEL DER BIBLIOTHEK 419
mit Lucien Bonaparte gemeint sei, der das Amt des Präsidenten innehatte
und später zugunsten seines Bruders mehrfach interveniert hat, wenn nicht
der Sitz des Präsidenten ebenfalls von einer Person besetzt wäre. Die übri-
gen Sitzungsteilnehmer im Hintergrund beobachten die zentrale Handlung
mit Entsetzen und teilweise wild gestikulierend. Ein paar der Delegierten
scheinen durch das offene Fenster klettern zu wollen.
Der Künstler hat mit dieser Komposition in (zeitlich) verdichteter Form
dargestellt, was sich tatsächlich in mehreren aufeinanderfolgenden Schrit-
ten vollzog.1609 Als Napoleon sich am 10. 11. 1799 (dem 19. Brumaire) in die
Versammlung der Fünfhundert begab, wurde er tatsächlich von den Vertre-
tern des radikalen (jakobinischen) Sektors verbal heftig angefeindet und be-
droht. Erst nachdem er den Saal wieder verlassen hatte, versuchte sein Bru-
der Lucien erfolglos, die Stimmung zugunsten Bonapartes zu beeinflussen.
Dieser aber nahm die im Rat der Fünfhundert gegen ihn hervorgebrachten
Drohungen zum Anlass, um die im Hof von Saint Cloud versammelten Sol-
daten zum Einschreiten zu bewegen. Lucien, der mittlerweile das Amt des
Präsidenten zurückgelegt und die Orangerie verlassen hatte, agitierte eben-
falls in diesem Sinne. In dieser Situation entstand das Gerücht, Napoleon
wäre von Abgeordneten mit Dolchen attackiert worden, wenngleich nicht
ganz klar ist, ob es von ihm selbst oder von Lucien verbreitet wurde. Der Rat
der Fünfhundert wurde jedenfalls von den Soldaten aufgelöst.
All diese Details hat der Künstler zu einem, notwendigerweise „synchro-
nen“, Gesamtbild verarbeitet, wobei Faktizität und Konstruktion nahtlos
ineinander überfließen. Die Abgeordneten teilen sich in einen moderaten
Flügel, der das Geschehen bloß beobachtet, und in einen radikalen jakobi-
nischen. Ein paar Vertreter des letzteren greifen Napoleon mit Dolchen an,
während die mit Gewehren und Bajonetten bewaffneten Grenadiere von ei-
nem weiteren Abgeordneten aufgefordert werden einzugreifen und dies auch
bereits tun.1610 Schließlich ist auch der Überlieferung, dass die moderaten
Abgeordneten beim Signal zum Sturm des Saales diesen durch Türen und
Fenster verlassen hätten, durch die Hinwendung einiger Delegierter zum
offenen Fenster Rechnung getragen.
1609 Ich halte mich im Folgenden an je eine zeitgenössische französische und englische Schil-
derung, die letztere könnte der Autor des Bildes auch gekannt haben: Tableaux histo-
riques, Bd. 2., 577–580; The New Annual Register 1800, 455–476, v. a. 464–467.
1610 Nach der oben zitierten zeitgenössischen englischen Darstellung (The New Annual Regis-
ter 1800, 465) war Bonaparte beim Eintreten in den Orangeriesaal nur „accompanied by a
view officers, and soldies without arms“. Dies zeigt auch die entsprechende Darstellung in
den Tableaux historiques (Bd. 2, Tableau 144), wo die bewaffneten Grenadiere, die später
die Versammlung auflösen sollten, im Hintergrund bei der Tür hereinstürmen.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630