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DIE SAMMLUNGSBESTÄNDE IM HISTORISCHEN
KONTEXT436
gang zum Gegenstand, der, im Falle von Bildern, auch in der Darstellung
selbst zum Ausdruck gelangen kann. Wir sehen dies bei den Kleist’schen
Denkmälern häufig bei den Staffagefiguren im Bild realisiert, die in die Be-
trachtung der Monumente versunken sind.1641
Um ein konkretes Beispiel anzuführen, das sich zwanglos mit einem Bei-
spiel der Serie des Weimarer Verlages in Verbindung bringen lässt, sei auf
die berühmte, mehrmals imitierte Rousseau-Insel im Park von Ermenonville
verwiesen.1642 Wir müssen hier nur jenes Blatt heranziehen, das dem An-
denken des Prinzen Leopold von Hessen-Homburg gewidmet ist, der in der
Schlacht bei Gross-Görschen am 2. Mai 1813 fiel (Abb. 58). Laut Bildunter-
schrift stellt es das bei Lützen für ihn errichtete Monument dar; doch un-
terscheidet sich dessen tatsächliches Aussehen grundlegend von dem, was
hier dargestellt ist.1643 Viel eher haben wir es mit einer Adaption des Rous-
seau-Grabes zu tun: einen Sarkophag nach antikem Vorbild, der auf der
Kleist’schen Variante durch mehrere Sockelbauten monumentalisiert ist.
Auch die obligatorischen Pappeln fehlen nicht. Doch nimmt man sie etwas
abseits nur mehr als Folie wahr, während unmittelbar hinter und über dem
Monument eine Eiche ihre prächtige Krone ausbreitet. Auf diese Baumart,
die gleich nach den Befreiungskriegen zum nationalen Symbol avanciert,
werde ich noch ausführlicher zu sprechen kommen.
Prinzipiell kann man die Figuren in den Bildern in drei unterschiedliche
Klassen teilen, doch sind die Abgrenzungen nicht ganz eindeutig. Im Ext-
remfall handelt es sich um rein skulpturale Elemente, die den ikonographi-
schen Bestandteil des Monumentes bilden. Doch gewinnen diese in den
meisten Fällen, wie es in der Grabmalsarchitektur üblich ist, ein gewisses
Eigenleben. Durch farbliche Akzentuierung ist schließlich der Illusionsgrad
mitunter so weit getrieben, dass die (allegorischen oder mythologischen) Fi-
guren das Monument tatsächlich bevölkern und nicht allein dessen Bestand-
teil sind (Abb. 58). Von diesen setzen sich aber wiederum die eigentlichen
Staffagefiguren ab, die zeitgenössische Beobachter in zivilem oder militäri-
schem Kostüm darstellen (Tafel V–VI und Abb. 59–60). Man findet darunter
1641 Diese Tendenz gleicht jedoch nur an der Oberfläche jener Empfindung, die mit dem von
Schiller geprägten Ausdruck als „sentimentalisch“ bezeichnet wird. Zur „kontemplativen“
Auffassung von Landschaft, Monument und Antike siehe Rosenblum, Tranformations,
107–119.
1642 Die Insel mit dem von Pappeln umgebenen Grabmal ist dargestellt in der Vignette un-
terhalb eines zeitgenössischen Profilporträts des Philosophen, das mit vier Varian-
ten in insgesamt acht Exemplaren in der Porträtsammlung des Kaisers vorhanden ist
[PORT_00134936_01-PORT_00134940_02].
1643 Es handelt sich um ein gusseisernes, neogotisches Ziborium, das Leopolds Schwester Ma-
rianne 1815 nach Entwurf von Karl Friedrich Schinkel in Lützen errichten ließ.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630