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EINLEITUNG22
des 17. Jahrhunderts nur außergewöhnliche Ereignisse verzeichnet wurden,
fließt die Überlieferung seit dem 18. Jahrhundert immer dichter, bis schließ-
lich der „Alltag bei Hofe“82 abgebildet wurde. Eingefügt in die protokollierten
Abläufe finden sich nun auch kaiserliche Resolutionen, Referate, Voten oder
Sitzungsprotokolle, in denen über die Gestaltung von Festivitäten diskutiert
wurde.83 Wurmbrand verweist an zwei Stellen84 konkret auf Resolutionen,
die bei den Recherchen zu dieser Edition in den Zeremonialprotokollen ge-
funden wurden: nämlich auf Bestimmungen aus dem Jahr 1748, die den
Tätigkeitsbereich des Hofklerus festlegten.85 Zudem nutzte Wurmbrand
panegyrisch angehauchte Lebensbeschreibungen von Herrschern, um im
Etiquette-Normale historische Hintergrundinformationen zur Verfügung zu
stellen. So ist der Abschnitt über die Gründung des Sternkreuzordens bei-
nahe wörtlich aus der Biographie Leopolds I. von Eucharius Gottlieb Rink
übernommen, die in erster Auflage 1708/09 erschien.86
Das Etiquette-Normale steht, trotz vereinzelter Modernisierungsten-
denzen, in der Tradition des habsburgischen Hofes, wie er sich seit dem
16. Jahrhundert als Residenz des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches
ausgebildet hatte. Die Zäsuren von 1804 und insbesondere jene von 1806, als
das Alte Reich durch Kaiser Franz aufgelöst wurde, bilden sich inhaltlich
nicht ab. Das Gegenteil ist der Fall: Im Sinne einer „Translatio Imperii“ blei-
ben Aktualisierungen aus, Strukturen des Reiches werden auf den Hof des
österreichischen Kaisers übertragen. Dies gilt sowohl für traditionelle Vor-
rechte wie die Übersendung der Fascien (Windeln)87 für ein Neugeborenes in
der kaiserlichen Familie durch den Papst als auch für Amtspositionen aus
dem Verwaltungsapparat des Alten Reiches. So werden bei der Bestimmung
der Rangordnung unter den Geheimräten immer noch der „Reichshofraths-
Präsitent und der Reichsvize Kanzler“88 erwähnt.
Das Etiquette-Normale schließt mit dem Vermerk, dass ein zweiter Teil
über das diplomatische Zeremoniell folgen werde. Eine spätere, mit Bleistift
auf dem Korrekturrand angebrachte Bemerkung informiert jedoch, dass
sich in der Registratur der Staatskanzlei kein Hinweis auf diesen Text finde
und er daher nicht existiere. Einen Anknüpfungspunkt liefert der bereits
82 Pangerl, Scheutz, Winkelbauer, Zeremoniell, S. 13. Vgl. auch atzMannStorfer, chriStian,
körbl, Starch, WeiSSkoPf, Weltin, Much of the same.
83 hengerer, Zeremonialprotokolle, S. 80–81.
84 Vgl. § 25 und § 27.
85 Vgl. ÖStA, HHStA, OMeA, HZD, ZA-Prot. 21 (1747–1748), fol. 372r–373v.
86 rink, Leopolds des Grossen Röm. Kaysers wunderwürdiges Leben und Thaten, Bd. 2, S.
626.
87 Stöckelle, Geburten und Taufen. blaaS, Das Fest der „Geweihten Windeln“. Vgl. § 9, 2, 29.
88 Vgl. § 37, V, 22.
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Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Titel
- Norm und Zeremoniell
- Untertitel
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Herausgeber
- Karin Schneider
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194