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Verhältnis sorgfältig und auch vor sich als geistige Freundschaft, aber es
gelang nicht immer, und zuweilen waren sie ganz entsetzt über Hyazinthische
Schwächen, die sie in Gefahr brachten und unsicher machten, ob sie nun
fallen müßten oder starkmütig zur alten Höhe wieder hinansteigen sollten. Als
aber der Gatte erkrankte, war den Seelen der Halt geschenkt, nach dem
langend, sie um den einen Zentimeter wuchsen, der zuweilen noch gefehlt
hatte. Von da an war die Gattin geschützt durch Pflicht, machte gut durch
verdoppelte Pflicht, was etwa noch in Empfindungen gesündigt wurde, und
das Denken war durch eine einfache Regel, welche jetzt den Ausschlag gab,
vor jenem Schwanken zwischen Verpflichtung zur Größe der Leidenschaft
und zur Größe der Treue gesichert, das so besonders unangenehm war.
So sahen also verläßliche Menschen aus, sie zeigten es durch Geist und
Charakter. Und mochte in Hyazinths Romanen auch noch so viel Liebe auf
den ersten Blick vorkommen, jemand, der ohne weiteres einem Menschen
folgte – wie ein Tier, das weiß, wo es trinken darf und wo nicht, – wäre ihnen
als ein Wesen erschienen, das sich in einem wilden Urzustand ohne Moral
befindet. Der Sohn aber, welcher mit dem tierhaft guten Vater Mitleid fühlte
und Hyazinth wie die Mutter gleich der geistigen Pest bei allen
kleinen Gelegenheiten des Familienlebens bekämpfte, hatte sich durch diese
beiden in die entgegengesetzteste Ecke der zeitgemäßen Möglichkeiten
treiben lassen. Der vielseitig Begabte studierte Chemie und stellte sich taub
gegen alle Fragen, die nicht klar zu lösen sind, ja er war ein fast haßerfüllter
Gegner solcher Erörterungen und ein fanatischer Jünger des kühlen, trocken
phantastischen, Bogen spannenden neuen Ingenieurgeistes. Er war für
Zerstörung der Gefühle, war gegen Gedichte, Güte, Tugend, Einfachheit;
Singvögel brauchen einen Ast, auf dem sie sitzen, und der Ast einen Baum,
und der Baum braunblöde Erde, er aber flog, er war zwischen den Zeiten in
der Luft; hinter dieser Zeit, die ebensoviel zerstört wie aufbaut, wird eine
kommen, welche die neuen Voraussetzungen hat, die wir mit solcher Askese
schaffen, und dann erst wird man wissen, was wir hätten fühlen sollen – so
ungefähr dachte er: einstweilen galt es hart und karg sein wie auf einer
Expedition. Es hatte bei solchem Antrieb nicht fehlen können, daß er schon
auf der Schule den Lehrern aufgefallen war, er hatte die Ideen neuer
Erfindungen gefaßt, sollte sich ihrer Ausbildung nach dem Doktorat noch ein
bis zwei Jahre widmen und hoffte, dann mit unaufhaltsamer Sicherheit über
jenem strahlenden Horizont aufzusteigen, als den junge Leute die aus Glanz
und Ungewißheit gemischte Zukunft vor sich sehen. Tonka liebte er, weil er
sie nicht liebte, weil sie seine Seele nicht erregte, sondern glatt wusch wie
frisches Wasser; er tat es mehr, als er glaubte, und die zuweilen vorsichtig mit
scharfer Spitze tastenden Erkundigungen seiner Mutter, welche eine Gefahr
ahnte, die sie nicht zur Rede stellen konnte, weil sie keine Gewißheit besaß,
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Buch Tonka"
Tonka
- Titel
- Tonka
- Autor
- Robert Musil
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.8 cm
- Seiten
- 46
- Kategorien
- Weiteres Belletristik