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Tonka
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10 Kapitel Etwas Ungreifbares fehlte, um die Überzeugung zur Überzeugung zu machen. Er war einmal nachts mit der Mutter und Hyazinth gereist, und so um zwei Uhr, in der rücksichtslosen Müdigkeit, wenn die Körper im Eisenbahnzug schwanken und nach Unterstützung suchen, schien es ihm, daß seine Mutter sich an Hyazinth lehnte, voll Einverständnis, und Hyazinth faßte ihre Hand. Seine Augen waren weit geworden vom Zorn damals, denn sein Vater tat ihm leid; aber als er sich vorbeugte, saß Hyazinth allein und seine Mutter hatte den Kopf zu der von ihm abgewandten Seite geneigt. Und nach einer Weile, als er sich wieder zurückgelehnt hatte, wiederholte sich das Ganze. So groß war die durch das ungenaue Sehen hervorgerufene Qual oder so ungenau durch die Qual in der Dunkelheit das Sehen. Er sagte sich schließlich, daß er nun doch überzeugt sei, und nahm sich vor, seine Mutter am Morgen zur Rede zu stellen; aber als der Tag schien, war das verflogen wie die Dunkelheit. Und ein anderes Mal war die Mutter auf einer Reise unwohl geworden, und Hyazinth, der an ihrer Statt dem Vater schreiben mußte, fragte unlustig: was soll ich denn schreiben? – er, welcher der Mutter bogenlange Episteln bei jeder Trennung schrieb! –: da gab es Zank, denn der Junge war wieder böse geworden, das Unwohlsein seiner Mutter verschlimmerte sich, schien gefährlich zu werden, man mußte helfen, Hyazinths Hände kreuzten dabei immerzu die Wege der seinen, und immerzu stieß er sie weg. Solange, bis Hyazinth fast traurig fragte: »Warum stößt du mich denn fortwährend weg?« Da war er über den Ton des Unglücks in dieser Stimme erschrocken. So wenig weiß man, was man weiß, und will man, was man will. Das kann man begreifen; jedoch er vermochte in seinem Zimmer zu sitzen, von Eifersucht gequält zu sein und sich zu sagen, daß er gar nicht eifersüchtig war, sondern etwas anderes, Entlegenes, merkwürdig Erfundenes; er, dessen eigene Gefühle das waren. Wenn er aufsah, fehlte nichts. Die Tapete des Zimmers war grün und grau. Die Türen waren rötlich braun und voll still spiegelnder Lichter. Die Angeln der Türen waren dunkel und aus Kupfer. Ein weinroter Samtstuhl stand im Zimmer und hatte eine braune Mahagonirahmung. Aber alle diese Dinge hatten etwas Schiefes, Vornübergeneigtes, fast Fallendes in ihrer Aufrechtheit, sie erschienen ihm unendlich und sinnlos. Er drückte seine Augen, sah umher, aber es waren nicht die Augen. Es waren die Dinge. Von ihnen galt, daß der Glaube an sie früher da sein mußte als sie selbst; wenn man die Welt nicht mit den Augen 35
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Tonka
Titel
Tonka
Autor
Robert Musil
Datum
1922
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.8 cm
Seiten
46
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 9
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 27
  8. Kapitel 8 30
  9. Kapitel 9 33
  10. Kapitel 10 35
  11. Kapitel 11 37
  12. Kapitel 12 40
  13. Kapitel 13 42
  14. Kapitel 14 44
  15. Kapitel 15 46
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