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Ideen, und das ist ein lebensgefährliches Gewicht, solange die Menschen
noch nicht ausgespürt haben, daß sie ihre Vorteile daraus münzen können. Er
wußte nicht einmal eine Richtung, in der er nach Hilfe hätte suchen können;
er war fremd. Und wer war Tonka? Geist von seinem Geiste? Nein, in
zeichenhafter Übereinstimmung war sie ein fremdes Geschöpf mit seinem
verhohlenen Geheimnis, das sich ihm zugesellt hatte!
Ein kleiner Spalt mit fernem Schimmer war offen, seine Gedanken
begannen die Richtung hin zu nehmen. Er arbeitete an einer Erfindung, deren
Bedeutung schließlich auch für die andern groß sein würde, und da war es
sicher, daß außer dem Denken noch etwas dabei war, ein Mut, eine Zuversicht
und Ahnung, die nie trogen, ein gesunder Lebenssinn, der ein Stern war, dem
er folgte. Da ging auch er nur den größeren Wahrscheinlichkeiten nach, und
stets fand sich bei einer von ihnen das Rechte; er vertraute, alles wird schon
so sein, wie es immer ist, um auf das eine zu kommen, dessen Anderssein er
entdecken wollte, und hätte er jeden möglichen Zweifel so prüfen wollen, wie
er mit Tonka tat, so wäre er niemals zum Ende gekommen: Denken heißt,
nicht zuviel denken, und ohne etwas Verzicht auf das Grenzenlose der
Erfindungsgabe läßt sich keine Erfindung machen. Diese eine Hälfte seines
Lebens schien unter dem Stern zu stehen, der unbeweisbares Glück oder ein
Geheimnis war. Und die andere war unerleuchtet. Er spielte jetzt mit Tonka in
der Pferdelotterie. Die Ziehungsliste erschien, er hatte Tonka erwartet,
unterwegs wollten sie das Verzeichnis kaufen und lesen. Es handelte sich um
eine elende Pferdelotterie mit einem Haupttreffer von wenigen tausend Mark;
aber das machte nichts, er hätte für die nächste Zukunft sorgen können. Und
wenn es nur ein paar hundert Mark gewesen wären, so hätte er Tonka das
Nötigste an Kleidern und Wäsche kaufen oder sie aus ihrer ungesunden
Mansarde befreien können. Und wären es nur zwanzig Mark gewesen, so
würde das eine Ermunterung sein, und er hätte neue Lose gekauft. Ja selbst
wenn sie nur fünf Mark gewonnen hätten, so wäre dies ein Zeichen gewesen,
daß der Versuch, wieder Anschluß an das Leben zu gewinnen, in unbekannten
Gegenden wohlgelitten war.
Aber alle drei Lose waren Nieten. Natürlich hatte er sie da nur zum Scherz
gekauft, und schon als er auf Tonka wartete, war eine Leere in ihm, die einen
Fehlschlag ankündigte; aber wahrscheinlich hatte er doch zwischen
Wünschen und Hoffnungslosigkeit geschwankt, oder geschah es, weil selbst
zwanzig Pfennige für eine nutzlose Liste in seinem Zustand einen Verlust
bedeuteten: er empfand plötzlich, daß es eine unsichtbare Macht gab, die ihm
übel wollte, und fühlte sich von Feindseligkeit umgeben.
Er wurde in der Folge recht abergläubisch; der Mensch in ihm, der abends
Tonka abholte, wurde es, während der andere wie ein Gelehrter arbeitete. Er
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Buch Tonka"
Tonka
- Titel
- Tonka
- Autor
- Robert Musil
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.8 cm
- Seiten
- 46
- Kategorien
- Weiteres Belletristik