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Erlöser 19
meinsam mit Apostel Paulus einige Missionsreisen unternommen hatte, andererseits
ein Dogmatiker, Verfasser des sogenannten »Barnabasbriefs« (132/134 n. Chr.)9, eines
judenfeindlichen Pamphlets.
Politisch kämpft Weisls Bar Kochba vordergründig gegen das römische Imperium.
Weit hasserfüllter sind jedoch seine Angriffe auf die »Judenchristen«, die der hinterhäl-
tigen Konspiration mit den Römern bezichtigt werden. An einer Stelle bezeichnen sich
die »Judenchristen« sogar selbst als »Freunde« der heidnischen Römer, von denen einige,
an »das Wort des Heilands glaubend« (E 113, 116), bereits zum Christentum überge-
treten seien. Die Rache des zunächst siegreichen Rebellen Bar Kochba trifft daher we-
niger die Römer als die »Judenchristen«. Diese zentrale, konfliktgeladene Konstellation
zwischen den drei Lagern in Weisls Drama basiert ebenfalls auf den Ausführungen von
Heinrich Graetz, der Bar Kochbas Taten durchweg sanktioniert und bemüht ist, die
durch ihn angeordnete drakonische Bestrafung der passiven, untätigen Christen, die
sich dem gemeinsamen Kampf gegen die Römer entziehen, abzuschwächen :
Trotz des tiefen Hasses der Juden gegen die Römer übten sie an ihren Feinden, die in ihre
Hände geraten waren, keinerlei Wiedervergeltung. Die heidnischen Quellen deuten auch
nicht mit einem Zuge an, daß die Juden an den Römern irgendwie Rache genommen hätten,
wiewohl in einem so heftigen Prinzipienkriege die fanatisierten Massen zur Grausamkeit nur
allzu geneigt sind. Vielleicht mochten die jüdischen Krieger aus Rücksicht auf die Heiden, die
sich ihren Reihen angeschlossen hatten, gegen die gefangenen Römer Schonung geübt haben.
Nur gegen die Judenchristen, die in Judäa lebten, verfuhr Bar-Kochba feindselig, da gegen sie
im Herzen der Juden ein vielleicht noch größerer Ingrimm sich angesammelt hatte als gegen
die Römer, weil man sie als Abtrünnige und als Angeber und Spione betrachtete. Dieser Haß
gegen die Judenchristen steigerte sich, als sie sich hartnäckig weigerten, an dem National-
kriege teilzunehmen und die einzigen müßigen Zuschauer dieses furchtbaren Dramas blieben.
Eine der ältesten christlichen Quellen erzählt, Bar-Kochba habe die Christen aufgefordert,
Jesus zu verleugnen und sich an dem Kampfe gegen die Römer zu beteiligen, und diejenigen,
welche solches verweigerten, seien mit harter Strafe belegt worden. Diese Strafe war wohl
nichts anderes als Geißelung, welche die jüdischen Gerichtshöfe über sie als Gesetzesüber-
treter verhängt haben mochten.10
In Weisls Schauspiel darf bei Anwesenheit Bar Kochbas nicht einmal der bloße Name
»Jeschu von Nazareth« genannt werden, weil »jener Mann […] Feigheit uns in uns’re
Seelen goss« (E 100). »Bar Kochba wird von uns die Schande nehmen !«, so preist ihn
9 Ebda, S.
409.
10 Ebda, S.
139
f. (kursiv : D.G.).
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355