Seite - 24 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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24 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
hatte. Ein Jahr später veröffentlichte Weisl in der ersten Nummer der revisionistischen
Wochenschrift »Medina Iwrit« (Wien/Prag) eine ablehnende Rezension, in der er mo-
nierte, dass der Romancier Arnold Zweig leider »nicht das Epos des Kampfes jüdischer
Einwanderer gegen die arabischen Herren des Landes« besungen habe :
Er will vielmehr (eigener Angabe nach) Probleme des modernen Nationalismus und des poli-
tischen Mordes behandeln. Als Schauplatz dieser Auseinandersetzung wählt er Palästina, hof-
fend, daß ihm jetzt wenigstens niemand aus rassischem Judesein fließende Verständnislosigkeit
vorwerfen könne. Leider wird ihm ein Vorwurf, wie ich fürchte, dennoch nicht erspart bleiben.
Diesmal werden die Juden Zweig widersprechen, werden Gedanken ablehnen, die der Dichter
aus dem deutschen politischen Leben nach Palästina überträgt, wo sie fremder als fremd sind.12
Weisl fokussierte sein Verdikt auf Zweigs Titelfigur Dr. Jizchak Josef de Vriendt. Des-
sen realhistorisches Vorbild ist der 1919 aus Holland nach Palästina emigrierte und
seither in Jerusalem wohnhafte Jurist und Schriftsteller Dr.
Jacob Israël de Haan, der im
Anschluss an die agudistische, antizionistische Bewegung des ultraorthodoxen Jerusa-
lemer Großrabbiners Joseph Chaim Sonnenfeld einen politischen Ausgleich zwischen
Juden und Arabern in Palästina angestrebt hatte. Am 30. Juni 1924 war de Haan in Je-
rusalem beim Verlassen des Spitals Shaare Zedek, in dem er sein Abendgebet verrichtet
hatte, erschossen worden.
1925 widmete Weisl dem Ermordeten in seinem Orientbuch Der Kampf um das Hei-
lige Land ein eigenes, längeres Kapitel, in dem er ihn als »einen genialen, aber kranken
Menschen« scharf verurteilte, weil er »es gewagt hatte, als einziger Jude Palästinas den
Kampf gegen die Idee des Judenstaates aufzunehmen«, und deshalb »den Juden gefähr-
licher schien als irgendeiner der arabischen Führer, die den Zionisten entgegentreten«.13
Der Mörder de Haans blieb unbekannt. Die von der englischen Mandatsregierung
für seine Entdeckung ausgesetzte »hohe Prämie«14 von 500 Pfund gelangte nie zur Aus-
zahlung. Da de Haan mit vielen arabischen, auch untereinander verfeindeten Führern
verhandelt hatte, war für Weisl »der Gedanke nicht abzuweisen«, der Ermordete sei
»arabischen Parteien ebenso unbequem« und sogar noch »gefährlicher« geworden, so
dass »ihm auch von dort Gefahr« gedroht« hatte.15 Diese Ansicht vertritt in Arnold
Zweigs Roman vor allem die problematische Figur des strammen Dr. von Marschalko-
wicz. Hinter diesem verbirgt sich niemand anderer als Wolfgang von Weisl, den Arnold
12 WvW : De Vriendt kehrt heim … In : Medina Iwrit (Prag) 1 (1933), Nr. 1 (25.
Mai) S.
2.
13 WvW : Der Kampf um das Heilige Land. Palästina von heute. Berlin : Ullstein 1925, S.
196.
14 Ebda, kursiv : D.G.
15 Ebda, S.
202
f.
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355