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Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 25
Zweig im Februar/März 1932 auf seiner ersten Palästinareise während der Arbeit an
seinem Palästinaroman in Haifa als Gast in der wunderschönen Landschaftsvilla ihres
gemeinsamen »teuren Freundes, des wahrhaft großen Berliner Malers und Radierers«
Hermann Struck (LWV 165), persönlich kennengelernt hatte.16 Zweigs Marschalko-
wicz rechtfertigt die zu erwartende, die Tatsachen verschleiernde Berichterstattung
der »rechten«, revisionistischen Presse über die Teilnahme »linker«, gewerkschaftlich
organisierter Zionisten an der Beerdigung de Vriendts : »diese Beteiligung bedeute den
Protest der Judenschaft gegen die Ermordung eines Juden durch Araber«. Der auktoriale
Romanerzähler missbilligt zwar »diesen Satz«, er durchschaut die wahre Absicht, die
sich dahinter verbirgt, nimmt sie jedoch resignierend hin : »der gegenwärtige Augen-
blick« dulde keine »Spannungen« und »Zuspitzungen« im »eigenen Lager«, sondern
»verlange Einigkeit« im Jischuw.17
Für Weisl ist die Identität des Täters von sekundärem Interesse.18 In seinem Buch
Der Kampf um das Heilige Land beschlieĂźt er das Kapitel ĂĽber de Haans Ermordung mit
zynischen, pietätlosen Worten :
Die Kugel des Mörders war barmherzig. Sie rettete den Dichter – vielleicht – vor dem Irren-
haus oder dem Selbstmord. Seinen Anhängern aber gilt er als Märtyrer ; das heißt »der heilige
Rabbi«. – Und so hat der tote de Haan das gefunden, was der Lebende gesucht hat : Größe,
Heiligkeit.19
Ähnlich abfällig urteilte Weisl über »den interessanten, aber kranken«, an politischem
»Größen-« und religiösem »Versündigungswahn« leidenden de Haan an anderer Stelle,
wenn ihm beim Gedanken an dessen »unglückliches« Schicksal der Titel von Franz
Werfels Novelle Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig (1920) in den Sinn kommt.
Werfels Titelzitat stellt für Weisl nichts anderes als die adäquate Replik auf die provoka-
16 Hermann Struck hatte 1920 gemeinsam mit Arnold Zweig das Buch Das ostjĂĽdische Antlitz (1920)
publiziert und dazu 50 Zeichnungen beigesteuert, am 8.Â
Juni 1927 war er in Haifa Trauzeuge bei der
Hochzeit WvWs mit Noemi Zuckermann.
17 Zweig : De Vriendt kehrt heim … (Anm.Â
11), S.Â
141 f. (kursiv : D.G.).
18 Sechs Jahrzehnte später, 1985, bekannte sich Avraham Tehomi (1903–1990), Gründer und Kom-
mandant der paramilitärischen Untergrundeinheit der Irgun, in einem Interview für das israelische
Fernsehen zu der Untat. Er habe den Mord an Jakob de Haan auf Befehl Jizchak Ben-Zwis, des
späteren israelischen Staatspräsidenten (1952–1963), begangen : »Ich habe das getan, was die Ha-
gana entschieden hatte. Ich bedauere nichts, denn de Haan wollte die gesamte Idee des Zionismus
zerstören« (zit. nach Shlomo Nakdimon, Shaul Mayzlish : De Haan. The First Political Assassination
in Palestine. Tel Aviv : Modan Press 1985 [hebr.]).
19 WvW : Der Kampf um das Heilige Land (Anm.Â
13, kursiv : D.G.), S.Â
206.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355