Seite - 48 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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48 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
nen Himmel wie ein Freudenopfer, dem höchsten Gott auf seinem Bergaltar in Galiläa dar-
gebracht. Immer zahlreicher steigen diese Säulen aus den Blüteninseln auf, immer öfter und
näher blitzt schwaches Feuer aus Stahlläufen, wie sonst die Mittagssonne von Kristallsplittern
im Kalkfels wiederzuckt. Immer schneller hintereinander knallen helle Schüsse, so heiter, so
froh wie die Begrüßungssalven eines Hochzeitsfestes (AWI 174).
Das im Grundelement des Feuers gespiegelte Gefecht wird hier als erotisch-sakraler
Akt analog zur Begegnung Eldads mit Hanna zelebriert, deren begehrenswerte Weib-
lichkeit sich im männlichen Blick in den anderen Grundelementen des Wassers, der
Luft und der Erde manifestiert : »Ganz Weib fühlte sie sich jetzt : eins mit der Erde,
die sich dürstend dem Herbstwind entgegenstreckte, den befruchtenden Regen erwar-
tend« (AWI 227). Der narzisstische Offizier bedarf zur Befriedigung seines sexuellen
Begehrens freilich nicht unbedingt einer Geliebten, denn er hat jederzeit ein zumindest
gleichwertiges phallisches Surrogat zur Hand :
Das Leben ist doch so einfach, wenn man jung ist, wenn man gerade Glieder hat und ein gera-
des Herz und wenn man ein schönes, modernes, englisches Militärgewehr in den Händen hält.
Liebevoll wischte er über den blankgeputzten Lauf, sah mit einer natürlichen Gedankenver-
bindung auf die Gewehre der Kameraden (AWI 155 f.).
Mit solch »natürlich« verbrämter »Gedankenverbindung« erfährt in Eldads Phantasie
der heroische Kampf der Juden um das Heilige Land eine triviale, juvenile Ästhetisie-
rung sowie eine unverhüllt erotische, ja sexuelle Verklärung, die zugleich einer morali-
schen, gleichsam elementaren, gottgewollten Legitimation der jüdischen Landnahme
Palästinas dienen soll.
Indes behalten Kampf, Krieg und Gewehre nicht das letzte Wort des Romans. Der
Erzähler schlägt am Ende gleichsam eine Rahmen bzw. System sprengende Volte. Nach
dem Jaffa-Pogrom vom Mai 1921 reitet Eldad als »Shomer« im Auftrag der Zionis-
tischen Kommission unter Kazprin/Sprinzak von Petah-Tikwa nach Ein-Harod am
Fuße des Bilboa an der Grenze zu Transjordanien, um junge jüdische Einwanderer zur
Verteidigung des ihnen vom Keren-Kayemet übergebenen 20 Quadratkilometer großen
Landes auszubilden. Unterwegs wirft er einen letzten Blick auf Tel Aviv und sieht mit
Begeisterung, »wie die junge Stadt anwächst« :
An jeder Ecke entsteht neues Leben. Araber kommen singend und tanzend und bringen auf
den Rücken ihrer Kamele Kies für die Zubereitung von Zement. Jetzt helfen sie, die jüdische
Stadt zu bauen, nachdem sie die Stadt erst gestern hatten angreifen wollen. Der Friede ist wie-
der im Lande eingekehrt (AWI 333).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355