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Der Anfang der Wandlung Israels 147
den – Allah möge sie steinigen ! – hier unsere Zeit verlieren müssen, statt ans Meer zu
marschieren ! Fort mit Euch, yallah !«11
Lautlos verschwanden die Männer. Sie liefen zu ihren Pferden, die ein paar hundert
Schritte hinter dem Hügel in einer flachen Talmulde grasten. Sie saßen auf und galop-
pierten nach verschiedenen Richtungen davon. Das hohe, blumendurchwachsene Gras
des Sumpflandes der Jordansenke reichte ihnen bis an die schaufelförmigen Steigbügel,
schwankte in großen Wellen hinter ihnen her. Wie eine silberne Furche im Kielwasser
eines Bootes auf unbewegter See blieb die Spur der drei Pferde im Blütenmeer des ga-
liläischen Frühlings.
Einen Augenblick sah der Beg seinen Leuten nach, dann ließ er sich schwer auf
einen grellfarbigen, riesigen Kelimteppich niedersinken, der über der lehmigen, braunen
Erde vor dem dickstämmigen Karub12 ausgebreitet war, legte die Flinte, von der er sich
den Vorschriften seines Glaubens gemäß nie trennte, neben seine Knie und wartete.
Der Araber, den er beschimpft hatte, hockte abseits nieder, entzündete rasch ein klei-
nes Feuer und begann Kaffeebohnen zu rösten. In einer Stunde würden die Anführer
der Aufständischen versammelt sein
– und zu einem arabischen Kriegsrat gehört Kaffee.
Von den Häusern Metullas jenseits des Jordans fielen Schüsse, vereinzelt, unregelmä-
ßig
– offenbar mehr als Kundgebung wehrhafter Gesinnung, als um den kleinen Reiter-
trupps Schaden zuzufügen, die sich von drei oder vier Seiten her dem Hügel mit dem
weithin sichtbaren Baum näherten. Als die ersten Reitertrupps sichtbar wurden, stand
Ibrahim Beg auf, reckte die Glieder, warf einen dünngewebten schwarzen Kamelhaar-
mantel aus feinster Wolle um die Schultern und trat ins Freie – zwischen die weithin
kriechenden Wurzeln des Karubbaumes, die wie schwarze Riesenschlangen im Grase
ruhten.
Er gab ein Zeichen. Der Araber hob eine Telegrafenstange auf, die der Beg vor-
sorglich von der nächsten Leitung mitgenommen hatte, und rammte sie zwischen zwei
Wurzeln in den Boden. An einer Leine stieg wenige Augenblicke später ein schwarz-
weiß-rot-grünes Fahnentuch hoch – die neue arabische Nationalflagge, die Farben des
Scherifensohnes Faisal, des neuen Herrn von Damaskus. Und im Namen des Prinzen
begrüßte der drusische Baron die arabischen Kriegskameraden, die einer nach dem an-
dern
– von ihren Söhnen und Haussklaven begleitet
– bei ihm eintrafen.
Ibrahim Beg, in dessen Adern das Blut von dreißig Geschlechtern drusischer Raub-
ritter und Feudalherren floss, verachtete eigentlich aus tiefstem Herzen alle Araber
ohne Ausnahme – die Städter so gut wie Fellachen, die auf ihrem Acker klebten, und
diese ebenso wie die Beduinen, die mit ihren Kamel- und Schafherden von Weide-
11 Yallah (Türk., arab.) : Beeil dich !
12 Karub, Karob (arab.) : Johannisbrotbaum.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355