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Der Anfang der Wandlung Israels 149
waffengespickten Gürtel und lächelte grimmig, als er zwei Effendis mit reichen, gold-
geschmückten Dolchen sah, wie sie bei ihm daheim an hohen Feiertagen die Sklaven
trugen, um den Reichtum und die Großmut ihrer Herren zu verkünden.
Keine Antwort kam aus dem Kreise der Dutzend Männer, die auf dem Teppich
hockten, bedächtig am bitteren Beduinenkaffee nippten und machten, als wären ihre
Gedanken weitab.
Schonungslos fuhr der Druse fort : »Hätte ich nur dreißig, ja, nur zwanzig meiner
Drusen hier, so würde ich ohne Euch mit den Juden fertig werden. Wie viele sind es
denn überhaupt ? Dreißig, vierzig, höchstens, nach den Schüssen zu urteilen. Aber
schließlich ist es Euer Krieg und nicht der meine. Also : entscheidet ! Wollt Ihr angrei-
fen ?«
Ein alter Beduinenhäuptling hob seinen verwitterten, schlauen Kopf : »Ich verstehe
nicht ganz, Exzellenz. Meint Deine Herrlichkeit wirklich, dass wir diese Häuser stür-
men sollen, in denen nichts ist als leere Steinwände oder ein paar Tische und Sessel, die
wir Beduinen nicht brauchen ? Meint Deine Herrlichkeit wirklich, dass ich das Leben
meiner jungen Krieger in Gefahr bringen soll wegen dieser Hundesöhne von Juden, die
nichts von Kriegskunst verstehen, die toll genug sind, zu schießen, auch wenn sie we-
nige sind und wir viele ?«
Er reichte die winzige Kaffeeschale dem Sklaven, der hinter ihm stand, warf mit
prachtvoller Bewegung die Zipfel seines rotweiß gewürfelten Kopftuches von den
Schultern zurück, fuhr mit den langen, dünnen, braunen Fingern durch seinen mit
Henna rotgefärbten, speckigen Greisenbart und brach los : »Wo in aller Welt hast du
gehört, dass Araber ein Dorf angreifen, in dem nichts zu holen ist, und noch dazu ohne
Blutrache ! Ja, wäre das Vieh der jüdischen Bauern noch dort – vielleicht würde es loh-
nen, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Aber jetzt ? Das ist kein Krieg, wie wir ihn
gegen die Franzosen führen, und kein Krieg, wie Araber gegen Araber kämpfen, yah
Beg, wo ich mich ergebe, wenn keine Hoffnung auf Sieg ist, und wo ich Rache nehme,
wenn später einmal die Macht auf meiner Seite ist. Die Juden sind Fremde. Sie schießen
wie Verrückte ohne Verstand, und sie haben keine Scheu vor der Blutrache. Wir haben
schon drei Verwundete – was taugt es dir, noch mehr Krieger zu verlieren ? Mein Rat
ist : warte ein paar Tage, bis sie nichts mehr zum Essen haben und nichts zum Schießen.
Dann werden sie um Gnade rufen, und wir werden sie töten.«
Der Scheich, der älteste Anführer der El H’san Beduinen, hatte seinen Gefährten
aus dem Herzen gesprochen. Er vertrat vortrefflich die alte arabische Kriegsregel, für
die der Kampf ein Spiel ist : Greife nur an, wenn du sicher bist, dass der Gegner sich
nicht verteidigt ! Überfall oder Aushungern oder Verrat – so ficht der Araber seit un-
denklichen Zeiten. Von den Tagen Mohammeds bis zu den modernen Kriegstaten des
großen Königs Ibn Saud, der zwar imstande war, mit nur einem Dutzend Gefährten im
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355