Seite - 174 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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174 C. Wolfgang von Weisl
geschah. Denn nichts ändert sich in der Welt Asiens. Die Juden lebten noch immer, und
ihre Feinde lebten auch. Und der Kampf ging weiter …
In guter Ordnung bezogen die Araber ihre Stellungen rings um das Dorf. In wilder
Hast peitschten Kugeln gegen die Häuser, um den Vormarsch zu decken. Eldad wieder-
holte zum letzten Mal den Befehl, den er Tag um Tag den Kameraden eingehämmert
hatte. »Wenn sie ganz nahe sind, Handgranaten ! Und dann zurück in die Schule, so
rasch ihr laufen könnt !«
Die Sonne schien warm. Zwischen lichtgrünen, sanftwelligen Bergzügen schimmerte
das galiläische Tal endlos nach Süden gestreckt, rot und weiß und blau und gelb auf
meergrünem Grunde. Grenzenloses, betäubendes Blumenmeer mit buntfarbenen, hü-
geligen, windbewegten Wogen. Weiß, weiß, weiß in allen Farbtönen der eitlen Margeri-
ten. Gelbe, goldfarben schimmernde Provinzen von Arnika grenzen scharf und schnei-
dend an Täler, die blau sind, als sei ein Stück des dunkelstrahlenden Himmels in sie
gesunken und in Akonit44 verwandelt worden. Und dort drüben purpurn wehend wie
die blutige Fahne des Aufruhrs, der das Land durchzieht : ein Heer von roten Anemo-
nen, so zart und sanft wie das Streicheln von Kinderfingern und so süß und so tief wie
das Stöhnen einer Frau in glücklicher Nacht. Blumeninseln im Blütenmeer ; Galiläa
im hellen Märztag. Bis über die Knie versinken Pferde und Männer in dem weichen,
hochwiegenden Teppich. Wenn sie im Gras liegen, sind sie unsichtbar. Überdeckt von
duftenden, rauschenden Blumen wie von Kränzen.
Und wenn sie ihre Militärgewehre abdrücken, dann hebt sich dünn und schlank eine
schmale, gekräuselte Rauchsäule fröhlich-heiter gegen den stahlblauen, erzenen Him-
mel wie ein Freudenopfer, dem höchsten Gott auf seinem Bergaltar in Galiläa dar-
gebracht. Immer zahlreicher steigen diese Säulen aus den Blüteninseln auf, immer öf-
ter und näher blitzt schwaches Feuer aus Stahlläufen, wie sonst die Mittagssonne von
Kristallsplittern im Kalkfels wiederzuckt. Immer schneller hintereinander knallen helle
Schüsse, so heiter, so froh wie die Begrüßungssalven eines Hochzeitsfestes, zu dem frei-
schreitende, stolze Beduinen ziehen, die ihre geliebten Waffen an ihrer glücklichen Se-
ligkeit teilnehmen lassen. Aber nicht zum Fest laden die Salven, die von den Talwänden
niederstürzen im verdreifachten Echo.
Durch die Almwiesen kriecht Hass und Tod, und vor ihrem Nahen neigen sich er-
schrocken die hochstieligen Blüten, die feinbewimperten Halme. Neigen sich immer
tiefer und tiefer, je näher die Aufständischen an den Dorfhügel von Metulla in weitma-
schigem Schützennest herankriechen. Dunkel bleiben Furchen im Blütenmeer, Spuren,
die unvermittelt enden, dort wo der Kopf des Schützen sich hinter Blütenwällen deckt.
Immer näher kommen die Furchen, immer näher die Endpunkte, nach denen die Ver-
44 Akonit : Eisenhut, Pflanze.
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355