Seite - 242 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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242 C. Wolfgang von Weisl
Krakauer schüttelte den Kopf, verabschiedete Fadhi Effendi, nahm seinen schönen
Silberstock, zog sich die kleine Taschenbürste ein paar Mal vor dem Spiegel über den
Schnurrbart – er war ein schöner, alter Mann und stolz auf seine gepflegte Schönheit,
die einen auffallenden Gegensatz zur proletarischen Einfachheit seiner russischen Kol-
legen bildete – und ging zur maßgebenden Stelle, zum Chef des Zolldepartments, ei-
nem trinkfreudigen Engländer, der ihn lachend abwies. »Unsinn, Mister Krakauer. Un-
sinn ! Dreißig Maschinengewehre samt Munition, das wäre ja eine Karawane von 50
oder 60 Kamelen
– die kommt nicht durch ! Übrigens werde ich dem Offizier da unten,
wenn es sie beruhigt, noch sechs Kamelreiter zuteilen, um besser patrouillieren zu kön-
nen. Aber es ist Unsinn ! Good bye« !
Befriedigt spazierte Krakauer nach Hause. »Ich kenne ja die Araber. Wirklich ein
Unsinn, das Gerede von einem Aufstand. Jetzt wo ein jüdischer Oberkommissär am Öl-
berg auf dem Throne Davids sitzt«120, überlegte er mit der sentimentalen Begeisterung
des galizischen Juden, für den Politik etwas unwirklich Romantisches bleibt, so nüch-
tern er auch im Alltagsleben sein mag. »Nein, jetzt werden die Araber keinen Angriff
wagen. Und gar Farughi Pascha. Einer der nettesten und höflichsten Menschen, die ich
je gesehen habe. Er hat mir ausdrücklich gesagt, dass er den Gedanken des Zionismus
sehr schön und poetisch findet. Er ist beinahe Zionist …«
Damit war der Fall für die zionistischen Behörden erledigt. Nur Steinberg und Eldad
arbeiteten zäh und verbissen daran, Fäden zu knüpfen, die nach Akaba hinüberführen
sollten, zum Kommandanten der winzigen Garnison seiner Majestät des Königs vom
Hedschas.121 Das Ziel war einfach : Der hedschasische Oberst, der von seinem Monar-
chen ohnedies nie sein Gehalt empfing, sollte die ganze Karawane – Treiber, Kamele,
Maschinengewehre – an die Juden verkaufen. Das Geld aufzubringen, war leicht : Die
jüdischen Kolonisten waren am meisten daran interessiert, Waffen zu bekommen – sie
würden schon dafür zahlen. Nur der Weg zum Kommandanten war schwierig, aber auch
diese Schwierigkeit konnte überwunden werden.
* * *
Früh morgens am Sonntag fuhr Eldad in einem Auto wieder nach Jerusalem zurück.
Ernst und gedrückt. Wie ein schwerer Panzer lastete die ungeheure Verantwortung auf
ihm, die er fünf knappe Tage vorher so leicht übernommen hatte, als er glaubte, der
Kampf sei so gut wie aussichtslos. Jetzt aber sah er einen Schatten von Hoffnung : Die
Maschinengewehre von Akaba konnten die jüdischen Kolonien retten. Das Allerwich-
tigste aber war etwas anderes. Wenn, ja wenn der Spion Recht hatte, so gab es noch vier
120 Herbert Louis Samuel (siehe biographische Daten, S.
345).
121 Hussein ibn Ali (siehe biographische Daten, S.
343).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355