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Der Anfang der Wandlung Israels 289
Kreis, eine schimmernde, schirmende Krone um sein Haupt ziehend. Mit gebeugtem
Knie schnellte Eldad durch den Kreis der Zuschauer, die sich immer näher drängten.
Auf den Fersen klirrten im Takt die Sporen, wenn er sie auf das Pflaster schlug, wenn
er auf dem Absatz wirbelte, wie trunken von der rasenden Musik. Fast auf dem Bo-
den kauernd, durchjagte er nochmals den Kreis. »Hej, hej !«, schrie er und sprang plötz-
lich mit einem gewaltigen Satz hoch, stand wie aus Marmor gemeiĂźelt still. Die Musik
brach ab, mitten im Takt. Wie entzweigehackt vom blanken Säbel, den Eldad mit bei-
den Händen hoch hielt wie einen stählernen Halbmond.
Wie toll hämmerte klatschender Beifall ; Hanna aber schämte sich. Wie konnte er
nur vor allem Volk so tanzen ! Wie ein Schauspieler war er, der sich vor Gaffern bloĂź-
stellt. Kindisch war er in seiner Ausgelassenheit ! Das Mädchen wusste nicht, dass ihr
Ă„rger ebenso wenig neu war wie der Tanz ihres Geliebten. So wie Eldad nach der fast
tötenden Erregung seines Zweikampfs mit Kazprin in der berauschenden Anstrengung
des Tanzes Erlösung und körperlichen Ausdruck der stärksten Kraft seiner jungen Seele
suchte und fand, so hatte einmal König David vor der Bundeslade getanzt183, angesichts
des ganzen Volkes – und genau wie Hanna hatte damals Davids Gattin184 das Beneh-
men ihres Gemahls als unpassend empfunden, wie die Bibel verständnisvoll berichtet.
Als Eldad zu Hanna trat, hatte sie sich mĂĽhsam so weit gefasst, dass er ihre Verstim-
mung nicht merkte. »Eigentlich ziehe ich moderne Musik vor. Gehen wir in einen Saal,
wo man ruhiger tanzt«, sagte sie und fĂĽhrte ihn weg. Eldad fand Hanna verändertÂ
– nie
kam er darauf, dass er sie gekränkt hatte. Er verstand sich besser auf die Gedankengänge
von Feinden als auf die einer geliebten jungen Frau, die nicht sicher ist, ob sie auch ge-
nug geliebt wird.
* * *
Eine Stunde später saßen Steinberg, Eldad, Harzwi, Danon und Hebroni in einem klei-
nen Lehrsaal der Mittelschule, der als Buffet eingerichtet war ; Hanna, Hella, Lia und
die Frau Danons neben ihnen, Weingläser und Flaschen vor sich auf dem Tisch. Danon
erzählte : Er hatte geheiratetÂ
– das war die große Neuigkeit. Deshalb war er fast ein Jahr
lang aus Palästina verschwunden. Er hatte aus Beirut die Tochter eines wohlhabenden
Kaufmanns mitgebracht und eröffnete jetzt mit dem Geld seines Schwiegervaters ein
183 2. Samuel 6,14 f.: »Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERRN her und war begürtet mit
einem leinenen Leibrock. Und David samt dem ganzen Israel fĂĽhrte die Lade des HERRN herauf
mit Jauchzen und Posaunen.«
184 Davids Gattin Michal, 2. Samuel 6,16 : »Und da die Lade des HERRN in die Stadt Davids kam, sah
Michal, die Tochter Sauls, durchs Fenster und sah den König David springen und tanzen vor dem
HERRN und verachtete ihn in ihrem Herzen.«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355