Seite - 290 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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290 C. Wolfgang von Weisl
Installationsbüro in Jaffa mit einer Filiale in Tel Aviv. Seine Frau saß still und interesse-
los neben ihm ; sie verstand noch nicht genug Hebräisch, um mitreden zu können. Hella
hörte mit leuchtenden Augen und brennenden Wangen zu, obwohl sie kaum hier und
da ein Wort auffing, das sie kannte. Aber es genügte ihr, dabei zu sein, wenn vier Ge-
fährten Trumpeldors, vier Männer, die so Gewaltiges erlebt hatten, sich miteinander be-
sprachen. Lia trank etwas süßen Wein, lachte, trank wieder, fühlte, wie ihr der schwere
Traubensaft in die Füße rann ; sie hielt es kaum ein paar Augenblicke lang aus, ruhig zu
sein, dann winkte sie Hebroni mit den Augen und erhob sich. Der ritterliche Chauf-
feur lief ihr nach, und eine Minute später drehte sich die Geliebte des Prinzen Farughi
mit Hebroni, dem Mitglied der jüdischen Selbstwehr, im Gewimmel des Purimballes.
Hanna sah ihr mit bitterem Zucken der Lippen nach. Sie war traurig und fühlte sich
vereinsamt. Es hätte sie gefreut, Erinnerungen an Trumpeldor und an Metulla zu hö-
ren
– aber die Ansichten Danons in seinem neuen Geschäft, für die sich die Männer so
sehr interessierten, ließen sie äußerst kalt, und dass Eldad nicht Auge noch Ohr für sie
hatte, empörte sie.
Eldad ließ neuen Wein kommen, warf ein paar Silberstücke auf den Tisch. Golden
und klar schimmerten die vollen Gläser. Eldad stand auf, hob die Hand : »Genossen !
Dem Andenken Trumpeldors ! Es lebe die Freiheit !«
Die drei Freunde hoben die Becher : »Lechayim ! Zum Leben !« grüßten sie sich mit
dem uralten Trinkgruß der Hebräer. Harzwi begann ein Lied, Eldad und die anderen
fielen ein, schlangen die Arme um die Nacken der Freunde, tranken den hellen, kühlen
Wein aus Rishon Le Zion185 und sangen, während draußen Geigen schluchzten, Hörner
jubelten, Tänzer rasten.186
* * *
Hanna fand nichts Gemeinsames mit diesen Männern, denen Eldad so vertraut war.
Sie wollte ihren Geliebten für sich haben, sie wollte mit dem schönen, stolzen Offizier
durch den Ballsaal gehen, von Frauen beneidet und von Männern bewundert. Stattdes-
sen saß sie hier im kleinen Zimmer beim Wein, den sie nicht berührte, und langweilte
sich.
Die Tür wurde aufgestoßen ; ein paar Engländer kamen lärmend herein, stellten sich
vor die Bar. Einer von ihnen versuchte, Hebräisch zu stottern, und verlangte Whisky.
Der Mann hinter dem Schanktisch schüttelte den Kopf, er verstand nicht, was verlangt
wurde, und bot mit fragendem Lächeln Himbeerlimonade an.
185 Rishon Le Zion : Wein aus der 1887 in der gleichnamigen Stadt nahe Tel Aviv gegründeten Kelle-
rei des Barons Edmond de Rothschild.
186 Hier endet die letzte, 33., Romanfolge in der »Medina Iwrit«, 10.
März 1939.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355