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Der Anfang der Wandlung Israels 299
Eldad lächelte : »Werde ich weniger sein, wenn ich in einem Steinbruch arbeite, als
wenn ich im Büro des Herrn Kazprin sitze ? Wirst du mich weniger lieb haben« – er
wurde unterbrochen.
Hanna trat dicht an ihn heran, mit blitzenden Augen : »Du bist verrückt geworden ?
Du willst mich heiraten, mich – und du wirfst deinen Posten weg wie eine faul ge-
wordene Feige, ohne daran zu denken, was dann aus mir wird ! Du willst mich heiraten,
und du verfeindest dich mit der ganzen Welt, mit Menschen, die das Land, das Volk
tausendmal besser kennen als du, die zehnmal länger dafür gearbeitet haben als du !
Und denkst nicht daran, dass du dir dadurch den Weg zum Vorwärtskommen im Leben
versperrt hast ! Mit Menschen wie Harzwi, Danon, ich weiß nicht, wer noch – die man
nicht kennt, von denen man nichts weiĂź, sitzt du beisammen, trinkst und sprichst und
lässt deine Braut im Ballsaal allein, aber über angesehene, tüchtige Männer wie Gut-
kowski spottest du, und Kazprin beschimpfst du und machst dich lächerlich. Und jetzt
willst du, du, der nichts weiĂź von unserem Volk, du, der erst vor drei oder vier Jahren
entdeckt hat, dass er Jude istÂ
– du willst Führer werden, Parteien gründen, die Arbeiter-
organisation sprengenÂ
– du ! Und willst, dass ich mit dir gehen soll ! Mein Leben zerstö-
ren, um deine Träume mitzumachen, die sich nie verwirklichen werden ! Mich lässt du
allein, fragst mich nicht um meinen Rat, fragst mich nicht um meine Meinung, erzählst
mir nichts von deinen Plänen, von Fremden muss ich erfahren, dass du entlassen wor-
den bist !«
Eldad unterbrach sie : »Ich wurde nicht entlassen. Ich selbst habe Kazprin gesagt,
dass ich mit einem Verräter nicht zusammenarbeiten kannÂ
– ich wurde nicht entlassen !«
Böse funkelten die Augen Hannas : »Von Fremden muss ich also erfahren, dass du
dein Brot weggeworfen hast, während du mir erzählst, wie ungeduldig du darauf wartest,
mich heimzufĂĽhren, wie sehr du dich nach mir sehnst. Und jetzt kommst du nicht etwa
und sagst, ich will Advokat werden oder Kaufmann oder irgendetwas VernĂĽnftiges, Ge-
ziemendes, sondern wie ein junger Tollkopf, der erst gestern hieher kam, sagst duÂ
– Tag-
löhner, Arbeiter ! Und glaubst du, dass meine Mutter dulden wird, dass die Tochter des
Rabbi Asriel ins Elend geht und einen Arbeiter heiratet ?«
Eldad war bleich geworden. Eine Kluft tat sich zwischen ihm und dem Mädchen auf,
das er liebte. Sie hatte ihn nicht verstanden. Genauso wie Kazprin nicht hingehört hatte,
wenn er von den drohenden Angriffen der Araber sprach, von der Gefahr fĂĽr das Volk,
fĂĽr das Land ; genauso wie Kazprin nur seine eigenen Interessen sah, genauso sprach,
genauso urteilte das Mädchen. Was hieß Land, was hieß Volk ! – Zuerst kam sie und
GlĂĽck ; sie verstand nicht, dass auch ihr Leben und auch ihre Zukunft davon abhingen,
dass das Volk lebte und glĂĽcklich wurde, dass sie sonst stets am Krater eines Vulkans ihr
Haus haben wĂĽrde.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355