Seite - 313 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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Der Anfang der Wandlung Israels 313
dass das alte Jerusalem unverändert bleibt. In zehn Jahren finden Sie an seiner Seite,
nicht an seiner Statt, das Neue. Au revoir, mon prince.«
* * *
Am nächsten Tag war Prinz Georges Farughi zu Gast bei einem Teeabend, zu dem Jus-
suf Hassan Pascha, der Nestor der arabischen Nationalisten Palästinas, alles eingeladen
hatte, was von Rang und Ansehen innerhalb des arabischen Jerusalem lebte. Christen
und Mohammedaner ; ein paar hohe Regierungsbeamte und Journalisten. Der Millio-
närssohn sollte über die Eindrücke sprechen, die er während seines langen Aufenthalts
in Palästina empfangen hatte.
Vor dem Vortrag hatte Georges eine kleine Spazierfahrt aufs Land hinaus unternom-
men, in Gesellschaft von Lia. Er war schlecht aufgelegt. Sehr schlecht. Seine Aufgabe
hatte er bisher nicht erfüllen können ; es war unmöglich gewesen, die Osterfeiertage
zu einem Putsch auszunützen, da der Oberkommissär höchste Alarmbereitschaft der
Truppen angeordnet hatte – und die Uneinigkeit der arabischen Exekutive des syrisch-
palästinensischen Kongresses hatte solchen Umfang angenommen, dass selbst seine
eigene Unparteilichkeit oder Überparteilichkeit nicht auf die Dauer bestehen bleiben
konnte. Wenn einer der Parteiführer sich für die Farughis erklärte, war hundert gegen
eins zu wetten, dass ein anderer sofort gegen ihn sein würde, nur aus Neid. Nur aus Hass.
Georges war nicht gewöhnt, mit Lia über Geschäfte zu sprechen und noch weniger
über Politik. Er plauderte mit ihr lieber über Chiffons, und auch Lia hatte kein Interesse
für die Angelegenheiten, die Georges in Jerusalem festhielten. Ihr genügte es, dass er ihr
mehr freie Zeit ließ als je zuvor und dass sie wusste, womit er seine Tage und Abende
verbrachte. Die arabische Presse berichtete nämlich ziemlich genau über den Tagesab-
lauf ihres Freundes.
In Lia war das kleine Bürgermädchen aus Tanger wieder erwacht. Sie war froh, in
Jerusalem zu sein. Froh, im kleinen Haus in Ohel Moshe bei Tante Asriel sitzen zu
können, von ihr zu hören, wie der liebe Gott das Gebet an der Klagemauer sofort er-
hört hatte, wie Hanna vom »Gibbor« Eldad befreit wurde. Sie interessierte sich leiden-
schaftlich für die Fortschritte, die Doktor Gutkowski in Hannas Gunst machte. Sie
redete Hanna noch mehr zu, als es Frau Asriel tat, sich mit dem Regierungsarzt zu ver-
loben. Und in der Zwischenzeit verliebte sie sich ein bisschen in den lustigen, munteren
Chauffeur Hebroni, der ihr Leibchauffeur geworden war. Sie lernte von ihm Hebräisch,
er lernte von ihr Tanzen, und die einzige Schwierigkeit, die sie hatte, war, dem jungen
Chauffeur begreiflich zu machen, warum sie von Zeit zu Zeit mit dem Emir von Mekka
spazieren fahren müsse. »Ein jüdisches Mädchen soll mit Arabern nichts zu tun haben«,
erklärte Hebroni finster. »Es schickt sich nicht. Die Araber bilden sich dann gleich ein,
dass die Jüdin ihre Geliebte werden könne …«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355