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Lebensmittelversorgung #

Lebensmittelkarten aus dem Jahr 1915
Lebensmittelkarten aus dem Jahr 1915
© Österreichisches Institut für Zeitgeschichte, Wien - Bildarchiv.
zentrale Aufgabe der Märkte bzw. in Krisenzeiten kommunaler Landes- und Staatsorgane. Auf dem flachen Land und in Kleinstädten historisch und bis in das 20. Jahrhundert primär Selbstversorgung. Zur Sicherung der Lebensmittelversorgung in größeren Städten durch ausreichende Marktbeschickung wurden schon früh Verfügungen in Stadtrechten, besonders die Verbote des "Fürkaufs" (Kauf direkt beim ländlichen Produzenten), erlassen. Seit Friedrich III. bestanden zur Sicherung der Lebensmittelversorgung in Bergbaugebieten "Widmungen" bestimmter landwirtschaftlicher Produktionsbereiche ("Widmungsbezirke"), die erst durch Joseph II. aufgehoben wurden. Um ein gleichmäßiges Preisniveau zu gewährleisten, gab es insbesonders in Städten obrigkeitliche Preisfestlegungen (Satzungen, Taxen). Dennoch kam es in vorindustrieller Zeit häufig zu extremen Teuerungen und Hungersnöten (zum Beispiel 1770-73). Durch das Wachstum der Städte und durch die Industrialisierung erlangte die Lebensmittelversorgung im 19. Jahrhundert eine neue Dimension, zu deren Bewältigung neue Einrichtungen (Großmarkthallen, Schlachthäuser, Kühlhäuser) geschaffen wurden. Neue Formen des Detailhandels ersetzten die alten Märkte. Getreide, Mehl und Schlachtvieh wurden zur Versorgung der Großstadtbevölkerung in zunehmendem Maß aus Ungarn eingeführt. Dramatisch wuchs die Bedeutung der Lebensmittelversorgung während des 1. Weltkriegs, da wichtige Getreidebaugebiete (Galizien, Bukowina) sogleich Frontgebiet wurden und damit für die Lebensmittelversorgung der österreichischen Städte ausfielen und Ungarn zwar die Brotversorgung der Armee übernahm, aber nur geringe Mengen für den zivilen Verbrauch in Österreich zur Verfügung stellte. Zur notwendigen Bewirtschaftung der Grundnahrungsmittel wurde die "Kriegsgetreide-Verkehrsanstalt" geschaffen; ab Anfang 1915 wurden Lebensmittelkarten ausgegeben, doch konnten die zugesagten Mengen immer seltener real geliefert werden. Die katastrophale Lebensmittelversorgung war ein Hauptgrund für den Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie, deren Kriegswirtschaft ab dem Sommer 1918 ihre Leistungsfähigkeit verlor. Mit dem Zerfall der Monarchie verschärfte sich die Lage durch Absperrungen der einzelnen Bundesländer voneinander - in den Wintern 1918/19 und 1919/20 drohte insbesonders in den Städten eine Hungerkatastrophe, die nur durch Lieferungen der Alliierten verhindert werden konnte. Zur Verhütung einer Revolution wurden die Lebensmittelpreise von der Regierung gestützt, was eine der Ursachen für die Nachkriegsinflation war. Erst ab 1921/22 normalisierte sich die Lebensmittelversorgung. Der 2. Weltkrieg wurde von der NS-Herrschaft gründlich vorbereitet, schon in den letzten Augusttagen 1939 wurden Lebensmittelkarten ausgegeben. Die Normalverbraucherquote sank bis 1944 auf etwa 2000 Kalorien pro Tag (1937 österreichischer Verbrauchsdurchschnitt von 3200 Kalorien). Nach Kriegsende sank die Lebensmittelversorgung besonders in Wien weiter auf etwa 350 Kalorien (Mai 1945) und erreichte im Sommer 1000 und 1946 erst 1220 Kalorien pro Tag. Auch das Jahr 1947 (insbesonders der Winter 1947/48) blieb krisenhaft. Dann begannen sich die offiziellen Lebenshaltungskosten und die Schwarzmarktpreise immer rascher einander anzunähern. In den ersten Monaten 1950 verschwand der schwarze Markt gänzlich, die Lebensmittelversorgung funktioniert seither nach marktwirtschaftlichen Kriterien, freilich bis 1994 unter Beibehaltung von Elementen der Marktlenkung zwecks Subventionierung der Landwirtschaft. Im 20. Jahrhundert fällt der Anteil der Lebensmittel an den Gesamtkosten des Verbrauchs langsam, aber ständig: ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt verbrauchte 1912-14 59 % des Familieneinkommens für Nahrungs- und Genussmittel, 1935 53,7 %, 1970 32 % und 1989 24,4 %.

Lebensmittelbezugsberechtigungskarte, 1915 aus Klagenfurt
Lebensmittelbezugsberechtigungskarte, 1915 aus Klagenfurt
© Copyright Photoarchiv Dr. Herbert Schillinger, Wien.


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