Völkerkunde (Kultur- und Sozialanthropologie)#
Am Beginn der Völkerkunde als selbständige Disziplin stehen in Österreich die Gründung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien (1870) und der Ethnographischen Sammlung des Naturhistorischen Museums, deren Bestände zum Teil aus dem 16. Jahrhundert (Ambraser Sammlung) und aus dem 18. Jahrhundert (Sammlung James Cook) stammen. Die Ethnographische Sammlung nahm unter ihrem 1. Direktor,
Franz Heger, einen starken Aufschwung und wurde 1927 als Museum für Völkerkunde verselbständigt. Ein weiteres Zentrum völkerkundlicher Forschung entstand mit dem Eintritt des Ethnologen und Linguisten
Wilhelm Schmidt in das Missionshaus St. Gabriel bei Mödling (Gründung des Anthropos-Instituts). An der Wiener Universität wurde Völkerkunde zunächst durch Dozenten
(Michael Haberlandt, Rudolf Pöch) gelehrt. 1913 erfolgte die Gründung einer Lehrkanzel für Anthropologie und Ethnologie, deren erster Inhaber Pöch wurde. 1928 wurden die beiden Fächer getrennt, Wilhelm Koppers zum Professor für Völkerkunde ernannt und das Institut für Völkerkunde gegründet, das sich unter der Leitung Koppers´ und seines Nachfolgers Josef Haekel zu einer international anerkannten Lehr- und Forschungsstätte entwickelte. 1949 erfolgte die Gründung einer 2. Lehrkanzel. Diese Lehrkanzel vertrat unter K. Wernhart die ethnohistorische Richtung der Völkerkunde, die 1. unter W. Dostal einen materialistischen Ansatz.
Seit 2012 leitet Univ.-Prof. Dr. Peter Schweitzer das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien. 2019 zählte es 1621 Studierende und 183 AbsolventInnen. Für das Bachelor-Studium sind sechs, für das anschließende Masterstudium vier Semester vorgesehen. In der Homepage der Universität Wien erfährt man dazu: Die Kultur- und Sozialanthropologie hat den Menschen in seinen sozialen Beziehungen und unterschiedlichen kulturellen Kontexten zum Gegenstand. Stichworte: Feldforschung Ethnographie, Minderheiten, Regionalforschung, Kolonialismus. Studienziele des Bachelorstudiums sind Kernkompetenzen im Fach und die wissenschaftliche Berufsvorbildung für interkulturelle Einsatzfelder. Das Masterstudium dient der Vertiefung und Ergänzung. Die AbsolventInnen sind ausgebildet für die Konzeption und Durchführung von Forschungsprojekten, und eine Berufstätigkeit in Praxisfeldern, in denen es vorrangig um die Rezeption, Analyse, Aufbereitung, Vermittlung und Umsetzung von Forschungsergebnissen. Stichworte: Lehre an Universitäten, Fachhochschulen und Erwachsenenbildung; Erstellung regionaler Expertisen im Zusammenhang mit internationalen Kooperationen, Entwicklungszusammenarbeit, Technologie- und Kulturtransfer; Angebot interkultureller Kompetenzen, z.B. Migration, NGOs, Kommunikation, Konfliktmanagement.
Das Weltmuseum Wien (früher Völkerkundemuseum) in der Hofburg beherbergt als ethnographisches Museum einige der weltweit wichtigsten außereuropäischen Sammlungen. Nach langjähriger Sperre wurde es 2017, völlig neu konzipiert, wieder eröffnet. Es präsentiert in 14 Sälen mehr als 3000 Exponate (von 250.000 Objekten), bietet zahlreiche Sonderausstellungen und Veranstaltungen.
Weiterführendes#
- Andre Gingrich, Peter Rohrbacher: Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945) (Band 1)
- Andre Gingrich, Peter Rohrbacher: Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945) (Band 2)
- Andre Gingrich, Peter Rohrbacher: Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945) (Band 3)
Literatur#
- Webseiten der Universität Wien (17.9.2019)
- Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Veröffentlichungen der ethnologischen Kommission zur Sozialanthropologie, 1995ff
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