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vom 01.11.2021, aktuelle Version,

Österreichisches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum

Das Wirtschafts- und Kaffeemuseum

Das Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, im Eigenauftritt Wirtschaftsmuseum, ist ein Museum im 5. Wiener Gemeindebezirk Margareten. Das Museum befindet sich zusammen mit dem Kaffeemuseum in der Vogelsanggasse 36 und ist als gemeinnütziger, überparteilicher Verein organisiert, in dessen Kuratorium auch die Republik Österreich und die Stadt Wien vertreten sind.

Entstehung und Entwicklung

Otto Neurath organisierte mit dem Österreichischen Verband für Siedlungs- und Kleingartenwesen Selbsthilfe gegen die Wohnungsnot. Eine Ausstellung führte zur Gründung des privaten Museums für Siedlungs- und Städtebau von Otto Neurath. In Überlegungen mit dem Roten Wien entstand daraus mit Gründung im Jahre 1924 mit der Stadt Wien, der Arbeiterkammer und der Sozialversicherung die Gründung als Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien (GWM).

Die Büroräume des GWM befanden sich 1926 / 1927 im städtischen Bezirksamt 3., Karl-Borromäus-Platz 3, und 1927–1934 in einem Haus der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, 15., Ullmannstraße 44.[1] Von Dezember 1927 an hatte das Museum eine ständige Ausstellung in der Volkshalle des Wiener Rathauses. Weitere Ausstellungsorte in Wien waren ab 1928 1., Parkring 12, ab 1930 im Gemeindebau 12., Fuchsenfeldhof, und ab 1933 in der Zeitschau am Tuchlaubenplatz (1., Tuchlauben 8, an der Abzweigung der Brandstätte), einer Tafel in einer Vitrine der Wiener Städtischen Versicherung direkt am Gehsteig, die ca. 2000 Rezipienten täglich erreichte.[2]

Langjährige und einflussreiche Mitarbeiter waren vor allem Neuraths spätere Ehefrau Marie Reidemeister sowie der Grafiker Gerd Arntz. Er wurde ab 1926 mit einigen Auftragsarbeiten betraut, arbeitete 1928 einige Monate auf Probe im GWM und war schließlich ab 1929 festangestellt.[3]

Nach den Februarkämpfen 1934 wurde das Museum im Austrofaschismus aufgelöst und dann als Österreichisches Institut für Bildstatistik weitergeführt. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland wechselte die Benennung auf Institut für Ausstellungstechnik und Bildstatistik.

Nach 1945 gründete die Stadt Wien gemeinsam mit den ursprünglichen Gründern das Museum neu und benannte es 1948 in Österreichisches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum um.

Das Gebäude des Wirtschaftsmuseums wurde im Jahr 1888 erbaut[4] und bildet als Gebäudekomplex den Rücktrakt der an der Adresse Stolberggasse 53 befindlichen Volksschule, erbaut 1887.[5]

Das GWM als Volks- und Arbeiterbildungsinstitut

Das GWM verstand sich als Volksinstitut für soziale Aufklärung und beschäftigte im Kuratorium Volksbildner wie Emil Reich, Eduard Leisching und Walter Schiff.[6] Es zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass es mit seinem aufklärerischen Selbstverständnis mit der konventionellen Auffassung vom Museum brach. War das Museum zuvor Sammelplatz für Sonderbarkeiten, Raritäten und Prunkschätze, stellte das GWM Bildungsmedien aus, mit denen sich die Besucher, ähnlich wie in naturwissenschaftlichen Museen, visuell informieren konnten.[7]

Insofern wurden hier keine kulturellen oder weltanschauliche, sondern sozialwissenschaftliche und volkswirtschaftliche Wissensbestände vermittelt, die wissenschaftlich generiert wurden.[8]

Das GWM als bildpädagogische Institution

Alle hierzu eingesetzten Medien orientierten sich an dem Anspruch, möglichst auf Schriftsprache zu verzichten und die Vermittlungsleistung von Bildern und anderen visuellen Methoden weitestgehend auszuschöpfen. Dabei kamen Bildtafeln, Modelle, Filme, Illustrationen und Moulagen zum Einsatz (s. Isotype).[9] Insofern definierte das Museum auch als Adressaten nicht wie im 19. Jahrhundert üblich das Bildungsbürgertum, sondern Fabrikarbeiter, Landarbeiter und vorliterate Kinder.[10]

Weil es derzeit die Bildpädagogik noch nicht gab, wurde sie von Neurath und seinem Team kollektiv im Museum schrittweise entwickelt. Dabei wurden die einzelnen Versuchsbilder im Museum ausgestellt, an ihrer Vermittlungsleistung gemessen und stetig praxisorientiert fortentwickelt.[11]

Außerdem war das GWM geprägt von der sozialistisch tradierten Idee einer möglichst breiten, internationalen Wirkung.[12] Es galt demnach eine Vervielfältigungsform zu entwickeln, die den Einsatz der Vermittlungsmethode sowie den des Museums selbst an anderen Orten ermöglichte.[13] Das GWM stellte deshalb zentral Bildertafeln her, in sie archivierte Wien und verschickte sie an eigens gegründete Institutionen im In- und Ausland. So entstand 1931 das in Anlehnung an Paul Otlet benannte Mundaneum, dessen Zentralstelle das GWM darstellte und das 1932 Zweigstellen in Den Haag, Prag, Berlin, Amsterdam, London und New York gründete, sowie 1931 das Institut Isostat in Moskau.[14] Diese Verteileridee wurde gestützt von zahlreichen bildpädagogischen Publikationen, welche die Ausstellungsarbeit immer mehr ergänzten.[15]

Nach der notwendigen Flucht 1934 und der Verlagerung der Arbeiten nach Den Haag wurde die Zentral- und Verteilerfunktion des GWM abgelöst vom Mundaneum Den Haag, die bildpädagogische Weiterentwicklung übernahm die International Foundation for Visual Education Den Haag und späterhin das Isotype-Institute in Oxford.[16]

Das Museum heute

Das heutige Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum knüpft an die ursprünglichen Gründungsjahre ideell an und hat sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fakten sowie Entwicklungen einfach und verständlich darzustellen. Weiters werden im Wirtschaftsmuseum regelmäßig Vorträge zu aktuellen wirtschaftlichen Themen angeboten, die größtenteils kostenlos besucht werden können.

Aktivitäten im Museum
  • Vorträge: Regelmäßige Vorträge zu aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen werden angeboten. Die Teilnahme an diesen Vorträgen ist größtenteils kostenlos.
  • Wirtschaftslehrpfad : Volkswirtschaftliche Daten, wie Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Geld und Währung und weitere Schlagworte Globalisierung und Europäische Union werden anhand von Wandtafeln präsentiert.
  • Von der Großmutter zum Enkel: Hier wird 100 Jahre Leben und Wohnen von der Zeit der Monarchie über die Kriegsjahre bis hin zum heutigen Tag in Wien gezeigt.
  • Galerie der Sammler: Das Besuchercafé des Museums stellt zwei Mal jährlich seine Räumlichkeiten für Privatsammler zur Verfügung, so dass sie ihre eigene private Sammlung einem interessierten Publikum vorstellen können.
  • Computer- und Medienraum: Abgestimmt auf die Themenbereiche des Wirtschaftslehrpfades stehen 23 Computer mit interaktiven Programmen für die Besucher bereit.
Aktivitäten außerhalb des Museums
  • Wanderausstellung: Für Schulen bietet das Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wanderausstellungen mit meist wirtschaftlichen Inhalten an.

Leitung

  • 1924–1934 Otto Neurath
  • 1945–1972 Franz Rauscher. Schüler von Otto Neurath gründen 1945 den Verein Österreichisches Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftsstatistik, welcher von Franz Rauscher geleitet wurde.
  • 1972–2000 Josef Docekal. Unter seiner Führung wurde 1988 das Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
  • 2000–2019 Hans Hartweger
  • Seit 2019 Harald Lindenhofer/Andreas Lehner

Kaffeemuseum

Das Kaffeemuseum wurde im Jahr 2003 von Edmund Mayr gegründet. Räumlich befindet es sich an der Adresse Vogelsanggasse 38, im Erdgeschoß des Nebenhauses des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum. Der Zugang erfolgt über das Hauptmuseum. Die größtenteils aus der Privatsammlung von Edmund Mayr stammenden Objekte wurden in 50 Jahren zusammengetragen und umfassen jeden Aspekt des Themas Kaffee.

Das Museum verfügt über eine Sonderausstellung mit zahlreichen antiken Kaffeemaschinen und beleuchtet die Hintergründe zu den Themen Kaffee und Kaffeebohnen. Weiters werden in einem Teilbereich des Museums regelmäßig Sonderveranstaltungen und Präsentationen abgehalten.

Einzelnachweise

  1. Volker Thurm: Wien und der Wiener Kreis. Wien 2003, S. 81, 161
  2. Vossoughian, Nader: Otto Neurath. The language of the Global Polis. Rotterdam 2008, S. 79
  3. Gerd Arntz: Otto Neurath, ich und die Bildstatistik. In: Stadler, Friedrich (Hg.): Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neurath — Gerd Arntz. Wien/München 1982, S. 31
  4. Inventarisiertes Gebäude Wirtschaftsmuseum Vogelsanggasse 36 im digitalen Kulturgüterkataster der Stadt Wien, abgerufen am 5. April 2014, unter Bezugnahme auf
    • Nina Nemetschke, Georg J. Kugler: Lexikon der Wr. Kunst und Kultur. Verlag Carl Ueberreuter, Wien 1990, ISBN 3-8000-3345-3, S. 429.
    • Bundesdenkmalamt: Daten des Bundesdenkmalamtes, S. 1
  5. Wien Kulturgut Architektur: Volksschule der Stadt Wien; Rücktrakt: Wirtschaftsmuseum - Gebäudeinformation
  6. Wilhelm Filla: Wissenschaft für alle — Ein Widerspruch?Innsbruck/Wien/München 2001, S. 107
  7. Otto Neurath (1925): Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien. In: ders.: Gesammelte bildpädagogische Schriften. Hrsg. v. Haller, Rudolf/Kinross, Robin. Wien 1991, S. 1f
  8. Angelique Groß: Die Bildpädagogik Otto Neuraths. Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. Springer. Heidelberg 2015, S. 65ff
  9. Otto Neurath (1931): Bildhafte Pädagogik im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien. In: ders.: Gesammelte bildpädagogische Schriften. Hrsg. v. Haller, Rudolf/Kinross, Robin. Wien 1991, S. 198
  10. Vossoughian, Nader: Otto Neurath. The language of the Global Polis. Rotterdam 2008, S. 49
  11. Angelique Groß: Die Bildpädagogik Otto Neuraths. Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. Springer. Heidelberg 2015, S. 65ff
  12. Angelique Groß: Die Bildpädagogik Otto Neuraths. Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. Springer. Heidelberg 2015, S. 65ff
  13. Vossoughian, Nader: Otto Neurath. The language of the Global Polis. Rotterdam 2008, S. 97, 107
  14. Otto Neurath (1936): Internationale Bildersprache. In: ders.: Gesammelte bildpädagogische Schriften. Hrsg. v. Haller, Rudolf/Kinross, Robin. Wien 1991, S. 394
  15. Angelique Groß: Die Bildpädagogik Otto Neuraths. Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis. Springer. Heidelberg 2015
  16. Paul Neurath: Otto Neurath (1882-1945). Leben und Werk. In: ders./Elisabeth Nemeth (Hg.): Otto Neurath oder die Einheit von Wissenschaft und Gesellschaft. Wien/Köln/Weimar 1994, S. 72f