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vom 28.03.2022, aktuelle Version,

Böhmische Hofkanzlei

Böhmische Hofkanzlei am Judenplatz in Wien

Als Böhmische Hofkanzlei wird zum einen die historische Behörde bezeichnet, der die Verwaltung der böhmischen Länder oblag, zum anderen ihr Amtssitz am Judenplatz in der Inneren Stadt in Wien, der heute den österreichischen Verwaltungsgerichtshof beherbergt.

Die Behörde

Ludwigsflügel der Prager Burg, der ursprüngliche Sitz der böhmischen Hofkanzlei

Da die böhmischen Stände eine von der österreichischen Kanzlei abgesonderte Einrichtung gewünscht hatten, wurde 1527 von Ferdinand I., der im selben Jahr zum böhmischen König gekrönt worden war, die Böhmische Hofkanzlei errichtet. Sitz dieser Hofkanzlei war zuerst der alte Königspalast auf der Prager Burg. Berühmtheit erlangten diese Räumlichkeiten insbesondere durch den Zweiten Prager Fenstersturz, der hier 1618 stattfand.

Nach Niederschlagung des Böhmischen Ständeaufstandes in der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde die Hofkanzlei nach Wien verlegt und allein dem böhmischen König unterstellt. Ihr Aufgabengebiet wurde beträchtlich erweitert, in der Hofkanzleiordnung von 1719 wurde sie sowohl als „unser königliches und landesfürstliches allerhöchstes Gericht“ als auch als „unsere letzte und höchste königliche Stelle“ bezeichnet. Die Hofkanzlei vereinigte alle Verwaltungs- und Justizaufgaben in ihrer Hand.

Als Ausdruck des böhmischen Partikularismus innerhalb der Habsburgermonarchie war die Böhmische Hofkanzlei bzw. ihr letzter Oberstkanzler Friedrich Graf Harrach ein erbitterter Feind der Zentralisierungsbestrebungen, die von Maria Theresias Berater Friedrich Wilhelm Graf Haugwitz ausgingen. Letztlich aber konnte Haugwitz obsiegen, und 1749 wurde die Böhmische Hofkanzlei aufgelöst; ihre Aufgaben sowie jene der zugleich aufgelösten Österreichischen Hofkanzlei wurden zwei neuen Behörden übertragen: dem Directorium in publicis et cameralibus sowie der Obersten Justizstelle. Im Jahr 1761 wurden beide Behörden zusammengelegt zur Böhmischen und Österreichischen Hofkanzlei. Sie fungierte nun etwa wie das Innenministerium der beiden Länder.

Unter Joseph II. ging die Hofkanzlei 1782 in der vereinigten Hofstelle auf. Diese Behörde wurde allerdings bereits 1791 wieder aufgelöst. Ab 1797 waren österreichische und böhmische Hofkanzlei wieder getrennt. Im Jahr 1802 neu geordnet, gab es erneut eine Vereinigte Hofkanzlei bis 1848. Ihre Kompetenzen gingen dann auf das k.k. Ministerium des Innern über.

Das Palais

Fassade mit Wappen
Löwenstiege
Puttenstiege

Das Palais der Böhmischen Hofkanzlei wurde 1709–1714 nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach auf der Wipplingerstrasse errichtet. Es war der erste Bauauftrag für Fischer in Wien nach einer fast zehnjährigen Pause. Sein letztes Palais war das Palais Batthyány in der Renngasse gewesen, welches in spätbarockem Stil gehalten war. Mit der Böhmischen Hofkanzlei machte Fischer eine Kehrtwendung zurück zum Hochbarock bzw. zur antiken Formensprache, wobei auch sein langjähriger Italien-Aufenthalt wichtige Impulse gegeben hat, möglicherweise auch eine 1704 nicht sicher erfolgte Englandreise. So lässt insbesondere die vertikale Gliederung des Palais in drei Teile zu je drei Achsen ein palladianisches Schema erkennen. Doch wurde die kühle palladianische Gliederung durch reichen plastischen Schmuck mehr als aufgewogen. Insbesondere der Mittelteil, der zu einem Risalit mit Giebel ausgestaltet war, ließ auch mehrfach die ursprüngliche Zweckwidmung des Palais erkennen: durch einen Löwen (als dem böhmischen Wappentier), der auf dem Giebel thront, durch einen Löwenkopf, der das Eingangstor bewacht, sowie durch die Wappen der böhmischen Länder über dem Piano nobile. Steinmetzaufträge erhielten die Meister Giovanni Battista Passerini und Johann Georg Haresleben aus Kaisersteinbruch, harter Kaiserstein wurde insbesondere für die Löwen-Stiege verwendet.

Nach der Staatsreform von 1749 (siehe oben) bezogen die neuen, auch für die österreichischen Länder zuständigen Behörden Quartier im Fischer'schen Palais, das sich rasch als viel zu klein herausstellte. So wurden die restlichen Parzellen des Häuserblocks parallel zum Judenplatz hin aufgekauft, und Matthias Gerl wurde mit der Erweiterung des Palais beauftragt. In den Jahren 1751–1754 verdoppelte Gerl das Palais nach Westen hin symmetrisch, sodass das Palais in seiner ursprünglichen Hauptfront zur Wipplingerstraße nunmehr zwanzig Achsen mit zwei giebelbekrönten Risaliten aufweist. Besonderes Augenmerk schenkte Gerl aber auch der Rückfront, die nunmehr in den Judenplatz hineinragte und so einen weit besseren Blick bot als die Hauptfront. Sie wurde mit 22 Achsen und insgesamt drei Risaliten ausgeschmückt, wovon nur die beiden äußeren giebelbekrönt waren. Steinmetzmeister Johann Michael Strickner aus Kaisersteinbruch lieferte die Stiegenstaffel für die Putten-Stiege. Weitere Umbauten erfolgten im 19. Jahrhundert, u. a. wurde das Innere 1895 / 1896 von Emil von Förster neu gestaltet und erhielt damals im Wesentlichen sein heutiges Aussehen.

1945 wurde das Palais durch eine Fliegerbombe schwer beschädigt. Die Wiederaufbauarbeiten unter Erich Boltenstern wurden zu weiteren Adaptierungen benutzt, u. a. wurde damals die Fußgängerpassage in der Wipplingerstraße eingerichtet. Die Eingangstore zur Wipplingerstraße wurden damit funktionslos, heute betritt man das Palais über die Tore zum Judenplatz bzw. zur Jordangasse.

1946–2012 hatte hier auch der Verfassungsgerichtshof seinen Sitz, zuvor der 1936 hier untergebrachte Bundesgerichtshof.

Kapelle

Auf der Seite der Jordangasse befand sich die Theresienkapelle, die 1782 beseitigt wurde.[1]

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Olechowski: Der österreichische Verwaltungsgerichtshof: Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich – das Palais der ehemaligen Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei. Verlag Österreich, Wien 2001. (S. 79–113) ISBN 3-7046-1689-3
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Einzelnachweise

  1. Böhmische Hofkanzlei

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Ehem. Böhmische Hofkanzlei Wien, jetzt Verwaltungsgerichtshof, Wipplingerstraße Eigenes Werk SchiDD
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Die Südwestecke der ehemaligen Böhmischen Hofkanzlei im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt und davor das Lessing-Denkmal. Das Gebäude zwischen dem Judenplatz und der Wipplinger Straße wurde von 1708/09 bis 1714 nach einem Entwurf von Johann Bernhard Fischer von Erlach erbaut und von 1751 bis 1754 von Mathias Gerl erweitert. Aktuell (2018) beherbergt es den Verwaltungsgerichtshof . Eigenes Werk C.Stadler/Bwag
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