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vom 22.10.2021, aktuelle Version,

Fakultätsbilder (Universität Wien)

Die Hygieia (griechisch „Gesundheit“) aus dem Fakultätsbild Medizin von Klimt in einer Reproduktion des Originals (Ausschnitt)

Fakultätsbilder ist die Bezeichnung für vier Gemälde, die zur Ausschmückung der Decke des Großen Festsaals der Universität Wien an der Wiener Ringstraße gedacht waren. Sie sollten in allegorischer Weise die vier klassischen Fakultäten einer europäischen Universität darstellen. Mit ihrer Anfertigung wurden im Jahre 1894 die Künstler Gustav Klimt und Franz Matsch beauftragt. Klimt sollte dabei die Bilder für die Philosophie, Medizin sowie Jurisprudenz übernehmen, Matsch das Bild für die Theologie gestalten.

Auseinandersetzungen

Bereits bei der ersten Präsentation des Bildes „Philosophie“ bei der siebten Kunstausstellung der Wiener Secession im Jahr 1900 kam es zu massiver öffentlicher Kritik, vor allem seitens der Professoren der Universität. Klimts Darstellungsweise entsprach weder den Vorgaben der Auftraggeber noch seinen vorab eingereichten Entwurfsskizzen, sondern zeigte eine zutiefst pessimistische und kritische Perspektive der Wissenschaft. Die Ausstellung des Bildes „Medizin“ sorgte für einen ähnlichen Eklat. Wahrscheinlich wurde Klimt durch die Differenzen sogar bestärkt, sein Bild „Jurisprudenz“ noch aggressiver als ursprünglich geplant zu gestalten. Die Fronten waren dabei so verhärtet, dass eine Einigung nicht mehr möglich schien.

Themen der auch in den Medien geführten Auseinandersetzungen waren nicht nur die Stellung der universitären Wissenschaft in der Gesellschaft, sondern auch der Sinn und Zweck staatlicher Kunstförderung sowie die dadurch mögliche Einflussnahme auf die künstlerische Freiheit.

Um den Kontroversen zu entgehen, entschloss sich Klimt im Jahre 1905, seine Bilder, für die er bereits staatliche Vorauszahlungen erhalten hatte, mit Hilfe privater Gönner (vor allem August Lederer) zurück zu kaufen. Die drei Bilder kamen so schließlich in Privatbesitz.

Die Auseinandersetzungen um die symbolistischen Bilder hatten Auswirkungen auf das weitere künstlerische Schaffen Klimts. Der Künstler nahm danach keinen Auftrag der öffentlichen Hand mehr an und wandte sich hauptsächlich der Porträt- und Landschaftsmalerei zu. Im Zuge dieser Neuorientierung entstanden bis heute weltbekannte Werke. Das spektakulärste dürfte das Bild Adele Bloch-Bauer I von 1907 sein, das mit einem im Jahre 2006 erzielten Verkaufspreis von 135 Millionen US-Dollar als das zweitteuerste Gemälde der Welt gilt. Das populärste und bis heute meist reproduzierte ist das 1907/1908 entstandene Bild Der Kuß. Klimt wird heute als der bedeutendste österreichische Künstler des Jugendstils bezeichnet.

Verbleib der Bilder

Das „Sinnbild Theologie“ von Franz Matsch ist bis heute im Besitz der Universität Wien und befindet sich im Sitzungszimmer der Katholisch-Theologischen Fakultät.[1]

Die privat aufgekauften Fakultätsbilder von Klimt kamen bei Arisierungsmaßnahmen während der Zeit des Nationalsozialismus wieder in staatlichen Besitz. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie in das Schloss Immendorf in Niederösterreich ausgelagert. Das Schloss wurde gegen Ende des Krieges von abziehenden SS-Truppen in Brand gesteckt und brannte mit den dort gelagerten Kunstschätzen vollkommen aus. Von den drei Fakultätsbildern von Klimt existieren heute noch die Entwürfe und Schwarzweiß-Fotografien der Originale.

Im Rahmen der Ausstellung Nackte Wahrheit (2005) wurden vom Wiener Leopold Museum Schwarzweiß-Kopien der Fakultätsbilder von Klimt und Matsch an der Decke des Großen Festsaals der Universität angebracht.[2]

Beschreibung und Deutung

Klimt: Fakultätsbild „Philosophie“

Klimt: Philosophie

Im Ausstellungskatalog der Secession wird bei der ersten Präsentation der Philosophie im März–April 1900 die linke Figurengruppe — ineinander verknotete, schwebende Körper verschiedenen Alters — als Entstehen, Fruchtbares Sein und Vergehen beschrieben. Auf der rechten Seite befindet sich die Weltkugel, das sogenannte Welträtsel, das als schlafende Sphinx aus einem nebelartigen Hintergrund auftaucht. Unten erscheint die bewusste Intelligenz, das Wissen als erleuchtete Gestalt.

Klimt liefert mit diesem Bild nicht die von den Auftraggebern verlangte Allegorie im traditionellen Sinne, sondern eine Darstellung der Philosophie als Symbol der determinierten Menschheit. Dies entspricht einer pessimistischen Sicht des Künstlers auf die Wissenschaft im Gegensatz zum allgemeinen Fortschrittsglauben um die Jahrhundertwende.[3] In diesem Fakultätsbild wird die Wissenschaft nicht als Triumphierende gezeigt, sondern als ewig Ringende und Suchende.[4][5] Wahrscheinlich ist das Welträtsel im übertragenen Sinne auch eine Anspielung auf das mythologische Rätsel der Sphinx.

Klimt: Fakultätsbild „Medizin“

Klimt: Medizin

Auf der rechten Seite ist eine in sich verkettete Menschengruppe zu sehen, aus der auf dem oberen Teil des Bildes ein Skelett hervorsteht. Die Figuren dieser Menge haben geschlossene Augen oder sind in gekauerter Haltung mit dem Rücken zum Betrachter dargestellt. Ein Mann streckt seinen Arm nach einer nackten Frau, die scheinbar schlafend auf der linken Bildseite schwebt, bei ihren Füßen ist ein neugeborenes Kind zu erkennen. Sie zeigt einen verrenkten Oberkörper, streckt ihren linken Arm in die Gruppe und berührt dabei den gestreckten Arm einer weiteren Figur. Durch die ausgestreckten Arme entsteht eine Verbindung – eine Art Kreislauf – zwischen der Frau links und der Figurengruppe rechts. In der Mitte darunter steht Hygieia mit einer Äskulapnatter und einer Schale mit Wasser aus dem Fluss Lethe, von dem die Schlange trinkt.

Im Vorwort des Kataloges zur zehnten Ausstellung des Secession wird zu diesem Bild erläutert, dass sich das Leben zwischen Werden und Vergehen abspielt, und dass das Leben selbst auf seinem Weg von Geburt bis zum Tod jenes tiefe Leiden schafft, für das Hygieia das linderne und heilende Mittel gefunden hat. Klimt zeigt in seiner Medizin somit den Kreislauf des Lebens.

Aufgrund der geschlossenen Augen und gekauerten Körperhaltungen der Figuren lässt sich ebenso vermuten, dass Klimt den Schlaf als heilendes, vielleicht sogar Krankheiten vorbeugendes Mittel darstellt. Möglicherweise spielt der Künstler auch auf antike Rituale wie Tempelschlaf und Traumorakel, in denen man sich Heilung oder das Erteilen medizinischer Ratschläge erhofft hat, an.[6]

Die Gegner Klimts beschweren sich bei dessen Medizin einerseits über die naturalistische Darstellung nackter Körper, die ihrer Ansicht nach eher in ein anatomisches Museum passen würde. Andererseits kritisieren sie das Fehlen der beiden wichtigsten Funktionen der Medizin: Heilen und Prävention.

Klimt: Fakultätsbild „Jurisprudenz“

Klimt: Jurisprudenz

Ein alter Sünder, nackt und hager, steht in gebeugter Haltung in der unteren Bildhälfte. Ein Polyp umschlingt ihn und fesselt seine Hände am Rücken. Drei Erinnyen mit Schlangen im Haar stehen um den Sünder herum. Oben sind personifizierte, weibliche Darstellungen von Gerechtigkeit (Mitte), Gesetz (rechts) und Wahrheit (links) zu sehen. Die Gerechtigkeit hält ein Schwert, das Gesetz das Buch Lex in der Hand. Die Wahrheit ist halb nackt und nur mit einem Umhang bekleidet. Die Richter sind als kleine Figuren in der Bildmitte zu erkennen. Vermutlich stellt der Polyp das schlechte Gewissen des Mannes dar. Der Sünder scheint jedoch auch ein Opfer der Justiz zu sein.

Klimts Kritiker bemängeln hier die Ausrichtung des Werkes als ein eher von unten nach oben zu lesendes Wandbild, gefordert sei jedoch ein Deckengemälde gewesen. Weiters wirft man dem Künstler die Reduzierung der Jurisprudenz auf Verbrechen und Strafe vor.

In Jurisprudenz ist Klimts Stilwandel am deutlichsten erkennbar; denn er weicht stark von seinem Entwurf aus dem Jahr 1898 ab, in der die personifizierte Gerechtigkeit ein Schwert empor streckt. Dieser radikale Wandel kann als Reaktion Klimts auf die Ablehnung seiner beiden zuvor präsentierten Fakultätsbilder Philosophie und Medizin interpretiert werden. Trotz harscher Kritik bleibt der Künstler seinem eigenen Entwicklungsprozess treu. Möglicherweise handelt es sich beim alten Sünder in der Jurisprudenz gar um eine Selbstdarstellung Klimts, der sich als Opfer einer ungerechten Beurteilung seiner Fakultätsbilder sieht.

Matsch: Fakultätsbild „Theologie“

Matsch: Theologie (1900), Detail

Matsch stellt die Theologie als Allegorie im traditionelle Sinne im Stil des Historismus dar. In der Bildmitte sitzt eine weibliche Gestalt mit Nimbus. In ihrer rechten Hand hält sie einen Stift und stützt den rechten Ellbogen auf ein Buch, das von einem nimbierten Vogel, vermutlich ein Adler, getragen wird. Auf der linken Bildhälfte schwebt eine weibliche Gestalt ohne Nimbus, auf der rechten Seite sind ausgestreckte Hände zu sehen. Die schwebende Figur streckt ihre Arme den Händen rechts entgegen. Im oberen Bildteil sieht man eine Gestalt, die mit einem Arm an ein Kreuz genagelt ist. Die Figuren sind in Froschperspektive dargestellt.

Der nimbierte Adler mit Buch deutet auf den Evangelisten Johannes bzw. das Evangelium nach Johannes hin. Die schwebende, nicht nimbierte Gestalt und die Hände könnten sich auf den Prolog des Evangeliums beziehen. Darin wird das Kommen Jesu Christi als Fleischwerdung des ewigen Wortes dargelegt.[7] Auch die Kreuzigung wird bei Johannes behandelt. Demnach hat Matsch die christliche Religion stellvertretend für den Begriff Theologie, der Lehre von Gott oder Göttern verschiedener Religionen, gewählt.

Galerie von Klimts Entwürfen zu seinen Fakultätsbildern (unvollständig)

Literatur

  • Alice Strobl: Zu den Fakultätsbildern von Gustav Klimt. In: Albertina-Studien. Wien, Jg. 2/1964, Band 4, S. 138–169
  • Christian Michael Nebehay: Gustav Klimt. Sein Leben nach zeitgenössischen Berichten und Quellen. Dt. Taschenbuch Verl. München, 1976.
  • Christian Michael Nebehay (Hrsg.): Gustav Klimt. Dokumentation. Verl. d. Galerie Christian M. Nebehay, Wien 1969.
  • Tobias G. Natter/Max Hollein (Hrsg.): Die nackte Wahrheit. Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale. Ausstellungskatalog Schirn Kunsthalle Frankfurt und Leopold Museum Wien, München/Berlin/London/New York 2005. ISBN 3-7913-3284-8.

Einzelnachweise

  1. Franz Matsch: Sinnbild der Theologie (Fakultätsbild). Artikel auf der Webseite der Universität Wien.
  2. Erstmals in ihrer Gesamtheit zu sehen: Die Fakultätsbilder von Klimt und Matsch kehren nach über 100 Jahren an ihren Bestimmungsort zurück. Artikel zur Ausstellung Nackte Wahrheit auf der Webseite des Leopold Museums. 2005.
  3. Gabriele Planz: Langeweile: ein Zeitgefühl in der deutschsprachigen Literatur der Jahrhundertwende. Seite 9. Tectum Verlag, 1996. ISBN 978-3-89608-115-5. Voransicht auf Google.
  4. Edvin Lachnit: Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und die Kunst ihrer Zeit. Böhlau Verlag Wien, 2005. Seite 42. ISBN 978-3-205-77422-8.Voransicht auf Google.
  5. Gustav Klimt: Die Philosophie (Fakultätsbild) auf der Webseite der Universität Wien. Abgerufen am 19. Dezember 2017.
  6. Wolfgang U. Eckart: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, 7. Aufl. Springer Verlag Heidelberg, Berlin, New York 2013, S. 5. doi:10.1007/978-3-642-34972-0
  7. Claus Westermann: Abriss der Bibelkunde. Calwer Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 3-7668-0620-3, S. 164 f.
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