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vom 24.03.2020, aktuelle Version,

Fritz Schachermeyr

Fritz Schachermeyr (* 10. Januar 1895 in Urfahr bei Linz; † 26. Dezember 1987 in Eisenstadt) war ein österreichischer Althistoriker. Wegen seiner Verbindungen mit den Nationalsozialisten und seinen ideologisch-rassistischen Ansichten gilt Schachermeyr als einer der umstrittensten Vertreter seines Faches im 20. Jahrhundert.

Leben

Fritz Schachermeyr studierte ab 1914 Altertumswissenschaften in Graz, wo er unter anderem bei Adolf Bauer lernte, in Berlin (bei Eduard Meyer) und in Wien, wo Adolf Wilhelm sein Lehrer wurde. Sein Studium wurde ab Ende 1915 durch Kriegsdienst in Siebenbürgen, Kleinasien und Mesopotamien unterbrochen, wo er Interesse für den alten Orient entwickelte. Schachermeyr schloss sein Studium 1920 in Innsbruck bei Carl Lehmann-Haupt mit einer Dissertation über die Beziehungen zwischen Ägypten und Vorderasien ab. Zwischen 1919 und 1929 war er zunächst im Schuldienst an einem Innsbrucker Mädchengymnasium tätig. Er habilitierte sich 1928 über etruskische Frühgeschichte an der Universität Innsbruck. 1931 wurde Schachermeyr zum Professor für Alte Geschichte an der Universität Jena ernannt, zunächst als Extraordinarius, noch im selben Jahr als „persönlicher“ Ordinarius. Eine Berufung auf den Lehrstuhl Lehmann-Haupts in Innsbruck scheiterte 1932, vermutlich aus finanziellen Gründen, da das bisherige Ordinariat in eine außerordentliche Professur umgewandelt worden war.[1] Bei der Bewerbung um die Nachfolge Wilhelms in Wien wurde 1934 Josef Keil vorgezogen, wohl auch wegen Schachermeyrs nationalsozialistischer Aktivitäten.

Schachermeyr blieb zunächst in Jena und war dort von Oktober 1934 bis März 1936 Dekan der Philosophischen Fakultät. 1936 ging er als ordentlicher Professor an die Universität Heidelberg als Nachfolger des bereits 1933 aus „rassischen“ Gründen vertriebenen Eugen Täubler. 1941 wechselte er an die Universität Graz. Zwischen 1945 und 1952 war Schachermeyr wegen seiner nationalsozialistischen Weltanschauung zwangspensioniert – ab 1946 vertrat Erich Swoboda die Alte Geschichte in Graz –, er wurde aber 1952 als Nachfolger Keils auf die Lehrkanzel für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien berufen. Er wurde 1963 emeritiert, hatte die Lehrkanzel aber noch bis 1970 inne.

Schachermeyr gab in der Zeit des Nationalsozialismus eine sehr fragwürdige Figur ab und wird mit Grund als „einer der profiliertesten Nationalsozialisten unter den Historikern“[2] bezeichnet. Seit der Übernahme der Professur in Jena 1931 begann er sich politisch für die NSDAP zu betätigen[3] und war nach eigenen Angaben Mitbegründer des „Nationalsozialistischen Kampfringes der Deutschösterreicher im Reich“, dessen Gauleiter von Thüringen er 1933 wurde. Er versuchte die nationalsozialistische Bewegung durch Vorträge und Veröffentlichungen wissenschaftlich und kulturpolitisch zu unterstützen. 1933 veröffentlichte er im Völkischen Beobachter, dem Parteiorgan der NSDAP, einen Artikel über „die nordische Führerpersönlichkeit“. Einen Sonderdruck dieses Aufsatzes übersandte er sogar dem zuständigen Reichsinnenminister für Hochschulangelegenheiten, Wilhelm Frick. In einem beiliegenden Brief schilderte er sein aktuelles Arbeitsvorhaben, einen „Versuch zur Grundlegung der nationalsozialistischen Weltanschauung aus dem Geiste der Historie“ zu verfassen. Ebenfalls 1933 versuchte Schachermeyr in einem kleineren Aufsatz, die „Aufgaben der Alten Geschichte im Rahmen der nordischen Weltgeschichte“ zu bestimmen. In zahlreichen Publikationen der folgenden Jahre verbreitete er nationalsozialistisches Gedankengut und ging dabei weiter als die meisten seiner Kollegen. Die Ergebnisse seiner Bemühungen waren (auch aus damaliger Sicht) mitunter grotesk; so erklärte Schachermeyr in der Annahme, historische Größe sei grundsätzlich mit der Zugehörigkeit zur „nordischen Rasse“ verbunden, Gestalten wie Peisistratos oder Hannibal im Umkehrschluss zu „Ariern“. Auch Fachkollegen beurteilten seine Arbeiten zwiespältig, selbst jene, die selbst der NS-Ideologie nahestanden. So schrieb etwa der Leipziger Althistoriker Helmut Berve 1943 an Walter Herwig Schuchardt in Freiburg: „Denn so begrüßenswert es ist, daß Schachermeyr fast als einziger unter den Althistorikern sich der antiken Rassengeschichte mit Eifer angenommen hat, so wenig zuverlässig erscheint mir seine Methode, so wenig präzise seine Formulierungen und seine Darstellung.“[4] In seiner Grazer Zeit kooperierte Schachermeyr sowohl mit dem „Ahnenerbe“ der SS als auch mit der konkurrierenden „Dienststelle Rosenberg“.[5]

Nach 1945 versuchte Schachermeyr, diesen Lebensabschnitt möglichst vergessen zu machen, und ging auch in seinen Lebenserinnerungen nicht darauf ein: Er springt darin von seiner Antrittsvorlesung in Jena, die Alexander den Großen zum Thema hatte, direkt zu seiner Alexanderbiografie, die er nach 1945 verfasst hatte. In Anlehnung an Oswald Spengler vertrat Schachermeyr später die Auffassung, dass nicht Rasse, sondern die Kultur der Faktor sei, der Menschen unterscheidet. Zumindest seine frühen Arbeiten über Griechenland und den alten Orient hatten aber durchaus die vermeintlich überlegene „nordische Rasse“ hervorgehoben und zugleich insbesondere den Phöniziern aufgrund einer „semitisch-armenoiden Rassenkomponente“ besonders „parasitäre Neigungen“ nachgesagt.

Schachermeyr forschte hauptsächlich auf dem Gebiet der griechischen Antike. Vor allem zur griechischen Frühzeit (etwa Minoische und Mykenische Kultur) leistete er größere Beiträge und ging dabei auch häufig auf die altorientalischen Nachbarn der Griechen ein. So beschäftigte er sich nicht nur mit der griechischen Kultur, sondern auch mit Hethitern, Etruskern, ja selbst mit Bandkeramik. Da seine Arbeiten vor 1945 (und teils auch noch danach) aber stark von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst waren (s. o.), sind Schachermeyrs Ergebnisse und Beurteilungen oft nur mit Vorsicht und unter Vorbehalt zu übernehmen.

Seine Sammlung von Keramikscherben verschiedener, vor allem mediterraner und vorderasiatischer Provenienz, eine der bedeutendsten Lehrsammlungen ihrer Art, die der Forscher seit seiner Studienzeit auf vielen Reisen zusammengetragen hat, hinterließ er der Mykenischen Kommission. Seine 1973 in überarbeiteter und erweiterter Fassung erschienene umfangreiche Alexanderbiographie gilt noch heute als ein wichtiger Beitrag zur Alexanderforschung, wobei Schachermeyr den „Titan“ Alexander durchaus recht negativ betrachtete.

Schachermeyr war seit 1957 ordentliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Von den Universitäten Athen (1961) und Wien (1984) wurde er mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Schachermeyr erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold und die Medaille für Verdienste auf dem Gebiet der Wissenschaft seiner Heimatstadt Linz. 1963 bekam er den Wilhelm-Hartel-Preis.

Schriften

  • Etruskische Frühgeschichte. de Gruyter, Berlin u. a. 1929.
  • Zur Rasse und Kultur im minoischen Kreta. Carl Winter, Heidelberg 1939.
  • Lebensgesetzlichkeit in der Geschichte. Versuch einer Einführung in das geschichtsbiologische Denken. Klostermann, Frankfurt am Main 1940.
  • Indogermanen und Orient. Ihre kulturelle und machtpolitische Auseinandersetzung im Altertum. Klostermann, Stuttgart 1944.
  • Alexander, der Grosse. Ingenium und Macht. Pustet, Graz u. a. 1949.
  • Die ältesten Kulturen Griechenlands, W. Kohlhammer, Stuttgart 1955.
  • Griechische Geschichte. Mit besonderer Berücksichtigung der geistesgeschichtlichen und kulturmorphologischen Zusammenhänge. W. Kohlhammer, Stuttgart 1960.
  • Die minoische Kultur des alten Kreta. W. Kohlhammer, Stuttgart 1964.
  • Die frühe Klassik der Griechen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1966.
  • Perikles. W. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1969.
  • Alexander in Babylon und die Reichsordnung nach seinem Tode (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 268, 3). Böhlau u. a., Wien u. a. 1970, ISBN 3-205-03641-7.
  • Geistesgeschichte der Perikleischen Zeit. W. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1971.
  • Alexander der Grosse. Das Problem seiner Persönlichkeit und seines Wirkens (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 285). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1973, ISBN 3-7001-0000-0 (umfassende und erweiterte Fassung des Buches von 1949 und wie dieses eine kritische Biographie Alexanders).
  • Die ägäische Frühzeit. Forschungsbericht über die Ausgrabungen im letzten Jahrzehnt und über ihre Ergebnisse für unser Geschichtsbild. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1976–1979;
    • Band 1: Die vormykenischen Perioden des griechischen Festlandes und der Kykladen (= Mykenische Studien. 3 = Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 303). 1976, ISBN 3-7001-0148-1;
    • Band 2: Die mykenische Zeit und die Gesittung von Thera (= Mykenische Studien. 4 = Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 309). 1976, ISBN 3-7001-0164-3;
    • Band 3: Kreta zur Zeit der Wanderungen. Vom Ausgang der minoischen Ära bis zur Dorisierung der Insel (= Mykenische Studien. 7 = Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 355). 1979, ISBN 3-7001-0312-3.
  • Die Tragik der Voll-Endung. Stirb und Werde in der Vergangenheit. Europa im Würgegriff der Gegenwart. Koska, Wien u. a. 1981, ISBN 3-85334-029-7.
  • Die griechische Rückerinnerung im Lichte neuer Forschungen (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 404). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0552-5.
  • Griechische Frühgeschichte. Ein Versuch, frühe Geschichte wenigstens in Umrissen verständlich zu machen (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 425). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1984, ISBN 3-7001-0620-3.
  • Gerhard Dobesch und Hilde Schachermeyr (Herausgeber): Ein Leben zwischen Wissenschaft und Kunst. Böhlau, Wien u. a. 1984, ISBN 3-205-07238-3.
  • Mykene und das Hethiterreich (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 472 = Veröffentlichungen der Kommission für mykenische Forschung. 11). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1986, ISBN 3-7001-0777-3.

Literatur

  • Karl Christ: Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie vom Neuhumanismus bis zur Gegenwart. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54181-X, S. 65–68.
  • Sigrid Deger-Jalkotzy: Fritz Schachermeyr (1895–1987). In: Anzeiger für die Altertumswissenschaft. 41, 1988, S. 125–128.
  • Sigrid Deger-Jalkotzy (Hrsg.): Sammlung Fritz Schachermeyr. 3 Bände. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1991–2012;
    • Band 1: Eva Alram-Stern: Die neolithische Keramik Thessaliens (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften. 220 = Veröffentlichungen der Mykenischen Kommission. 13). 1991, ISBN 3-7001-1881-3;
    • Band 2: Claus Reinholdt: Die Keramik aus der Levante und dem Vorderen Orient (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften. 292 = Veröffentlichungen der Mykenischen Kommission. 19). 2001, ISBN 3-7001-2983-1;
    • Band 3: Peter Pavúk, Barbara Horejs: Mittel- und spätbronzezeitliche Keramik Griechenlands (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften. 439 = Veröffentlichungen der Mykenischen Kommission. 31). 2012, ISBN 978-3-7001-7086-0.
  • Volker Losemann: Nationalsozialismus und Antike. Studien zur Entwicklung des Faches Alte Geschichte 1933–1945 (= Historische Perspektiven. 7). Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-09219-5 (Gekürzte Fassung von: Antike und Nationalsozialismus. Marburg, Universität, Dissertation, 1975).
  • Beat Näf: Der Althistoriker Fritz Schachermeyr und seine Geschichtsauffassung im wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick. In: Storia della Storiografia. 26, 1994, ISSN 0392-8926, S. 83–100.
  • Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. Mitteilungen. 25, 2007, ISSN 1609-5804, S. 41–71.
  • Martina Pesditschek: Barbar, Kreter, Arier. Leben und Werk des Althistorikers Fritz Schachermeyr. 2 Bände. Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-8381-0602-1 (Band 1), ISBN 978-3-8381-0641-0 (Band 2).
  • Martina Pesditschek: Schachermeyr, Fritz. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 1120f.
  • Wolfgang Schuller: Schachermeyr, Fritz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 488 (Digitalisat).

Anmerkungen

  1. Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. 25, 2007, S. 41–71, hier S. 47.
  2. Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. 25, 2007, S. 41–71, hier S. 41.
  3. Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. 25, 2007, S. 41–71, hier S. 45–46.
  4. Eckhard Wirbelauer: Zur Situation der Alten Geschichte im Jahre 1943. In: Freiburger Universitätsblätter. 149, 2000, S. 107–127, hier S. 116, (Digitalisat (PDF; 3,62 MB)).
  5. Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. 25, 2007, S. 41–71, hier S. 56–57.