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vom 14.12.2012, aktuelle Version,

Wirtschaftswunder

Wirtschaftswunder ist ein Schlagwort zur Beschreibung des unerwartet schnellen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.[1] Als Beginn gilt die Währungsreform 1948, das Ende wird zum einen auf die Jahre 1957/58 (Ende eines Konjunkturzyklus, vorläufiger Abschluss der Integration in die Weltwirtschaft mit vollständiger Konvertibilität der DM und Gründung der EWG), zum anderen auf die Jahre 1966/67 (die erste schwerwiegende Rezession nach dem Krieg) datiert.[1] Auch in Österreich wird der rasante wirtschaftliche Aufschwung ab den 1950er Jahren als Wirtschaftswunder bezeichnet.[2][3]

Deutsches Wirtschaftswunder

Ausgangssituation

Voraussetzung war die Einführung der D-Mark

Trotz der schwierigen Ausgangslage nach der bedingungslosen Kapitulation im Jahre 1945 waren im Gebiet der späteren Bundesrepublik anders als etwa im Hinblick auf großstädtischen Wohnraum etwa 80 bis 85 Prozent der Produktionskapazitäten unzerstört geblieben. Die Gesamtkapazitäten nach dem Krieg übertrafen sogar jene des letzten Friedensjahres 1938.[4] Auch das Straßen- und Schienennetz war nur punktuell stark zerstört: die zahlreichen Unterbrechungen durch zerstörte Brücken und Knotenpunkte konnten relativ schnell behoben werden. Ähnliches galt für die Schifffahrtswege, die durch zerstörte Brücken zunächst vielfach nicht befahrbar waren. Hier kam der Wiederaufbau schon vor der Währungsreform von 1948 gut voran, auch die Aufräumarbeiten in den Städten machten bis 1948 schnelle Fortschritte.

Die Besatzungspolitik der Westmächte nach dem Krieg hatte zunächst aber keineswegs die rasche wirtschaftliche Erholung Deutschlands zum Ziel. Der Personenverkehr zwischen den drei Westzonen unterlag noch bis 1948 Beschränkungen. Die von Wirtschaftsexperten wie Ludwig Erhard bereits seit Sommer 1945 angemahnte Währungsreform wurde zunächst verweigert. Nach verschiedenen, bereits während des Krieges erörterten, aber später verworfenen Plänen, wie mit dem für den Weltkrieg verantwortlichen Deutschland zu verfahren sei, entschieden sich die westlichen Alliierten schließlich für den Wiederaufbau. Im Vergleich zur Sowjetischen Besatzungszone hielten sich die Demontagen in den westlichen Besatzungszonen in Grenzen. In dem Maß, wie dann die Differenzen zwischen den Weltmächten wuchsen und sich relativ rasch in den Kalten Krieg steigerten, wurden die Wirtschaftshilfen für beide deutschen Staaten ausgeweitet.

Da die Reichsmark nach dem Krieg weitgehend entwertet war, wurde sie in den drei westlichen Besatzungszonen am 21. Juni 1948 durch die neue Deutsche Mark abgelöst. Diese Währungsreform schaffte die Voraussetzung für eine wirtschaftliche Konsolidierung und vereinfachte die organisatorisch bereits angelaufene Hilfe durch das European Recovery Program, besser bekannt unter dem Namen Marshallplan. Wenige Tage später fand die Übergabe der Frankfurter Dokumente statt:

  • Das erste Dokument enthielt die Ermächtigung der Regierungschefs, eine Versammlung der elf Landtage einzuberufen, damit eine angemessene Zentralgewalt und Grundrechte für den neu zu schaffenden Staat ausgearbeitet werden konnten.
  • Das zweite Dokument enthielt die Aufforderung, die Ländergrenzen innerhalb der Westzonen anzupassen.
  • Das dritte Dokument enthielt die Forderung, Grundzüge eines künftigen Besatzungsstatus festzulegen.

Die Frankfurter Dokumente können als die Geburtsurkunde der dann 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland angesehen werden.

Verlauf

Ende der 1940er Jahre begann im Westen Deutschlands ein dynamischer wirtschaftlicher Aufschwung, der, unterbrochen lediglich von einer Konjunkturdelle in den Jahren 1966 und 1967, bis zur Ölpreiskrise im Jahr 1973 anhielt.

Provisorische Weinstube auf Berliner Trümmergrundstück, genaues Datum unbekannt

Die Währungsreform 1948 beendete den bis dahin verbreiteten Tauschhandel und die Schwarzmarktwirtschaft praktisch über Nacht. Ebenso schnell füllten sich die Regale mit Waren, zunächst in erster Linie Waren für die Deckung der Grundbedürfnisse. Für eine breite Investitionstätigkeit fehlte es den Unternehmen zunächst noch an ausreichendem Kapital. Dies änderte sich in den Folgejahren zunächst zögernd, dann durchgreifend. Grundlage war die gute Gewinnentwicklung, die sich anschließende Investitionsbereitschaft war zu einem großen Teil selbstfinanziert (= eigen- und innenfinanziert). Damit verbesserte sich auch die bis Anfang der 1950er Jahre überaus prekäre Finanzlage sehr vieler Betriebe.

Der Marshallplan stellte bereits ab Ende 1947 Finanzmittel zur Verfügung, die überwiegend als Kredite und nur zu einem kleinen Teil als Zuschüsse gewährt wurden. Ein wichtiger Faktor war der Anstieg des Exportes, verursacht durch sehr geringe Produktionskosten in Deutschland und zeitweilig verstärkt durch den Korea-Boom in den USA (1950/1951). Der feste Wechselkurs zum US-Dollar von 4,20 DM zu 1 US-Dollar wirkte als indirekte Exportsubvention.[5] Es entwickelte sich ein dynamisches und stetiges Exportwachstum. 1960 war der deutsche Export bereits 4,5-mal so hoch wie 1950, das Bruttosozialprodukt hatte sich verdreifacht.[6] Das Kapital der Unternehmen mehrte sich, die Investitionen wuchsen. Der deutsche Anteil an Weltexporten war von sechs auf zehn Prozent gestiegen. Die deutsche Industrie behielt auch nach dem Korea-Boom gegenüber dem Ausland einen Kosten- und damit Preisvorsprung. Deutschland nutzte eine europäische „Dollarlücke“ und die Vorteile der Europäischen Zahlungsunion. Außerdem konnte die deutsche Industrie rasch wieder moderne Investitions- und Gebrauchsgüter aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Elektroindustrie liefern.

Die enorme Geschwindigkeit der Entwicklung lässt sich unter anderem daran erkennen, dass das Realeinkommen der durchschnittlichen Arbeiterfamilie bereits 1950 das Vorkriegsniveau überschritten hatte.[7] Bereits in ihrem Gründungsjahr 1949 hatte die Bundesrepublik „das Wohlstandsniveau und den Grad der Modernität“ erreicht wie vor dem Krieg.[8] Die Zahl der Arbeitslosen lag Anfang der 1950er Jahre noch bei über zwei Millionen, wurde aber ab 1952 zunehmend kleiner. Der Arbeitskräftebedarf der aufstrebenden Wirtschaft war enorm, und schon 1955 wurden erstmals von offizieller Seite so genannte Gastarbeiter angeworben. Der Bedarf an Arbeitskräften konnte trotz der millionenfachen Zuwanderung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und durch die Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR nicht mehr gedeckt werden, das Wachstum schien in Gefahr. Besonders die so genannten Übersiedler aus der DDR waren für das Wirtschaftswunder aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Qualifizierung von besonderer Bedeutung: hunderttausende von Akademikern, Selbstständigen und Handwerkern kamen bis zum Mauerbau 1961 in den Westen.

Ein weiterer nicht unwesentlicher Punkt war die Abwanderung von Betrieben aus den sowjetisch besetzten Gebieten und der späteren DDR in die westlichen Zonen und die spätere Bundesrepublik. In einigen westdeutschen Regionen führte dies ab 1945 zu einem starken Wachsen der Industrie, insbesondere in dem vor dem Zweiten Weltkrieg noch kaum industrialisierten Bayern. Beispielsweise war Ingolstadt bis 1945 keine Industriestadt, sondern wurde dies erst durch die Abwanderung der Auto Union AG (heute Audi AG) aus Chemnitz in den ersten Nachkriegsjahren. Allein aus Chemnitz wanderte eine Vielzahl von weiteren Unternehmen nach Westen ab, darunter neben der Auto Union auch die Schubert & Salzer AG, die WANDERER Werke AG und die Hermann Pfauter AG. Die Konzernzentrale von Siemens wurde aus Berlin nach München und Erlangen verlegt. Es ließen sich noch eine Vielzahl weiterer Beispiele anführen.

Die Investitionen in der Bundesrepublik stiegen von 1952 bis 1960 um 120 Prozent, das Bruttosozialprodukt nahm um 80 Prozent zu. Die deutsche Wiedergutmachungspolitik ebnete nicht nur den Weg für die Rückkehr Deutschlands in die Völkergemeinschaft, sondern sie ermöglichte letzten Endes auch das von dem Bankier Hermann Josef Abs ausgehandelte Londoner Schuldenabkommen von 1953. Mit seiner für Deutschland relativ großzügigen Regelung der Altschulden, die annähernd halbiert wurden, wurde es zu einer wichtigen Grundlage für den weiteren Aufstieg. Bereits 1954 erreichte der Wohnungsbestand in der Bundesrepublik wieder den Umfang des Bestands des letzten Friedensjahres 1938 im gleichen Gebiet. Dieses Tempo des Wiederaufbaus übertraf die Erwartungen; nach Kriegsende hatten Experten den Zeitbedarf für den Wiederaufbau der Städte noch auf 40 bis 50 Jahre geschätzt.

Der einmillionste VW-Käfer am 5. August 1955: ein Exportschlager der deutschen Nachkriegswirtschaft und ein Symbol des so genannten Wirtschaftswunders.

Ab 1953 standen Kapazitätserweiterungen im Vordergrund der Investitionen, zuvor mussten zuerst Kriegsschäden behoben und dann auch Investitionsrückstände aus den Kriegsjahren aufgeholt werden. Auch die Umstellung auf zivile Produktionen band zunächst erhebliche Teile der knappen Investitionsmittel. Trotz dieser Defizite im Kapitalstock der bundesdeutschen Volkswirtschaft gelangen bald die Aneignung modernster Technologien und der Aufbau einer international wettbewerbsfähigen industriellen Forschung und Entwicklung. Das Jahr 1955 wurde zum wachstumsstärksten Jahr der deutschen Geschichte. Die Wirtschaft wuchs real um 10,5 Prozent, die Reallöhne stiegen ebenfalls um 10 Prozent, der Kfz-Bestand vergrößerte sich in diesem Jahr um 19 Prozent. Noch 1948 fuhren Automobile mit Holzvergaser über die leeren Autobahnen, jetzt bildeten sich in der Urlaubszeit die ersten Staus. Der bis dahin nur vereinzelt verwendete Begriff „Wirtschaftswunder“ wurde 1955 zum geflügelten Wort. Es war zugleich das Jahr, in dem die Bundesrepublik ihre Souveränität weitestgehend zurückerhielt – am 5. Mai 1955, bewusst auf den Tag genau 10 Jahre nach der Teilkapitulation der deutschen Wehrmacht gegenüber den Westalliierten.

Der Westen Deutschlands näherte sich im Laufe der 1950er Jahre dem US-Standard. Die deutsche Fahrzeugindustrie konnte ihre Produktion zwischen 1950 und 1960 verfünffachen. Industrie und Dienstleister konnten innerhalb weniger Jahre zwei Millionen Arbeitslose absorbieren. Die 8 Millionen Heimatvertriebenen und 2,7 Millionen Menschen, die aus der DDR zuwanderten, fanden ebenfalls Arbeit. Seit den späten 1950er Jahren herrschte Vollbeschäftigung, die Arbeitslosenquote lag unter zwei Prozent. Nach heutigem Verständnis war mit einer Quote von circa 4 bis 5 Prozent sogar schon 1955/1956 Vollbeschäftigung erreicht. Von 1950 bis 1970 stiegen die Reallöhne um das Zweieinhalbfache.[6] In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre konnte die Bundesrepublik die wirtschaftlichen Lasten der Wiederbewaffnung bereits schultern. In dieser Zeit begann die Deutsche Bundesbank wegen anhaltender Exportüberschüsse hohe Devisenreserven anzuhäufen und die Goldbestände aufzubauen, die sie bis heute besitzt. Auslandsverbindlichkeiten wurden vorfristig getilgt, die D-Mark mehrfach aufgewertet. Der Bundeshaushalt war zwischen 1949 und 1968 fast völlig ausgeglichen, die Staatsverschuldung nahm – gemessen am Sozialprodukt – rapide ab. Gleichzeitig vollzog sich ein rapider Strukturwandel: Noch 1949 waren weite Teile Deutschlands ländlich-agrarisch geprägt und 21 % der Beschäftigten waren in der Landwirtschaft tätig, bis 1970 sank dieser Anteil auf unter 10 %, zugunsten der Industrie und später vor allem des Dienstleistungssektors, die Produktion der verbleibenden Landwirte wurde durch Technisierung gesteigert und ihr wirtschaftliches Überleben durch staatliche Subventionen gesichert.

Ab Anfang der 1960er Jahre ging der Investitionsboom langsam zurück. Die Kapazitäten konnten die Nachfrage befriedigen, der technische Rückstand war aufgeholt. Die Wirtschaft wuchs jedoch bis einschließlich 1973, dem Jahr der ersten Ölkrise, weiterhin sehr dynamisch, nur unterbrochen von der leichten Rezession des Jahres 1967: „Erst 1973 endete demnach der Nachkriegsboom.“[9] Diese wirtschaftliche Entwicklung gilt als einer der Gründe dafür, dass die zweite deutsche Demokratie, anders als die Weimarer Republik, von der Bevölkerung akzeptiert wurde, obwohl sie ein Produkt der alliierten Besatzung war, da sie Wohlstand, Stabilität und sozialen Ausgleich versprach.

Gründe in der Diskussion

Die Ursachen für das so genannte bundesdeutsche Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre sind Gegenstand einer andauernden wissenschaftlichen Debatte.

Einer These zufolge beruhte es auf einer Entfesselung der wirtschaftlichen Dynamik, die auf zwei Säulen ruhte: dem Nachholbedarf im Inneren sowie der Integration Westdeutschlands in das expandierende System der Weltwirtschaft. Zudem stützte sich die wirtschaftliche Entwicklung auf eine kräftig wachsende, arbeitsbereite und aufstiegswillige Bevölkerung:[10] Bis 1950 kamen 8 Millionen Menschen aus den früheren deutschen Ostgebieten, bis 1961 weitere drei Millionen aus der DDR (siehe oben).

Nach einer anderen Theorie waren die Abschaffung der Kriegswirtschaft und der Preisadministration im Zuge der Währungsreform von 1948 sowie die anschließende ordoliberale Gesetzgebung die hauptsächlichen Voraussetzungen für das Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre. Dagegen wird angeführt, dass zum Beispiel Frankreich mit seinem deutlich interventionistischeren Modell der Planification ähnliche Erfolge erreichen konnte.[11] (Das französische Pendant zum deutschen Wirtschaftswunder wird als Trente Glorieuses bezeichnet). Allgemein war die wirtschaftliche Expansion der Nachkriegszeit ein globales Phänomen und fand in verschiedenen Staatsmodellen statt.

Nach einem verbreiteten Erklärungsansatz beruhte das Wirtschaftswunder (zum Teil) auf dem Wiederaufbau nach dem Krieg. Bei einem Vergleich der Wirtschaftswachstumsraten lässt sich feststellen, dass solche Länder, die erhebliche Kriegsschäden und ein hartes Besatzungsregime erlitten hatten nach dem Zweiten Weltkrieg besonders hohe Wachstumsraten verzeichneten. So erlebte neben Deutschland auch Österreich, Italien, Japan, die Niederlande und Frankreich ein stürmisches Aufholwachstum von (im Durchschnitt) jährlich 7-9 %. Weniger stark vom Krieg betroffene bzw. neutrale Länder erlebten ein Wirtschaftswachstum von „nur“ 3-4 %.[12]

Ergänzend zur Wiederaufbauthese ist auch die Aufholthese verbreitet. Danach hatte die westeuropäische Wirtschaft einen Aufholprozess gegenüber der technisch führenden Volkswirtschaft der USA gestartet. Die westeuropäischen Unternehmen konnten sich dabei am Vorbild amerikanischer Unternehmen orientieren. Bildlich gesprochen erfolgte der Aufholprozess im Windschatten der führenden USA und erlaubte somit ein höheres Tempo. Nachdem das Produktivitätsniveau der amerikanischen Volkswirtschaft erreicht wurde und der Aufholprozess somit zum Abschluss kam, trat die westeuropäische Wirtschaft gleichsam aus dem Windschatten und das Wirtschaftswachstum glich sich auf niedrigerem Niveau an.[13]

Die US-amerikanische Wirtschaftshilfe durch den Marshallplan hat den Wiederaufbau Westeuropas und damit auch die Wirtschaftswunder in Deutschland erleichtert und möglicherweise phasenweise etwas beschleunigt, aber keineswegs allein verursacht. Westdeutschland erhielt insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar als Entwicklungshilfe, unter anderem für den Wiederaufbau der punktuell oft stark zerstörten Infrastruktur. Die Ausgangslage Westdeutschlands nach dem Krieg war günstiger als es eine oberflächliche Betrachtung vermuten ließe: „Deutschland lag zwar in Trümmern, doch galt dies in erster Linie für die Gebäude in den Innenstädten und die großen Industrieanlagen. Ein größerer Teil der während des Krieges erweiterten maschinellen Ausrüstung der Fabriken war ausgelagert worden und hatte den Krieg unbeschadet überstanden. Trotz aller Zerstörungen übertrafen bei Kriegsende die industriellen Kapazitäten jene zu Beginn des Krieges.“[4]

Jenseits der Marshallplan Hilfen wurden die Länder wie die Bundesrepublik oder Japan durch die Einbindung in das westliche Wirtschaftssystem, das von den USA dominiert wurde, gefördert, zumal die USA im Sinne des Antikommunismus die Länder als Vorzeigeländer in der Region betrachtete. So erklärte der US Politologie Chalmers Johnson das in Jahren bis zum Vietnamkrieg massiv als Exportnationen aufgebaut wurden - indem man Einfuhrbeschränkungen in die USA senkte und dies trotz Schäden für die US Wirtschaft.

Österreichisches Wirtschaftswunder

Ausgangssituation

Österreichische Schillinge, für viele Inbegriff des Neubeginns und Wirtschaftsaufschwungs

In Österreich verlief die Entwicklung ähnlich wie in Deutschland. Nachdem die Reichsmark fast wertlos geworden war, wurde 1945 der Österreichische Schilling wieder eingeführt und eine Hartwährungspolitik betrieben. Österreich qualifizierte sich 1947 für den Marshall-Plan und konnte angeschlagene Industrien mit US-Hilfe schneller wiederaufbauen und modernisieren. 1952 wurde Reinhard Kamitz Finanzminister. Er verfolgte zusammen mit Bundeskanzler Julius Raab eine Politik der sozialen Marktwirtschaft („Raab-Kamitz-Kurs“). Wie in Westdeutschland entschied man sich auch in Österreich für die Soziale Marktwirtschaft als wirtschaftspolitisches System, was ebenfalls wie in Westdeutschland quer durch die Parteienlandschaft zunächst stark umstritten war.

Verlauf

In Österreich waren Industrie und Infrastruktur im Zweiten Weltkrieg weit weniger in Mitleidenschaft gezogen worden als in Deutschland. Von 1945 bis 1950 wurden die Leitbetriebe (Austria Metall AG, VÖEST, Steyr-Puch) verstaatlicht und auch mit Hilfe von Steuergeldern und US-amerikanischer Investitionen wieder aufgebaut.

Steyr-Puch Haflinger, österreichischer Exportschlager

Ein hohes Maß an sozialem Frieden förderte die weiteren Investitionen in österreichischen Unternehmen; deutsche Unternehmen bauten eine Vielzahl von Tochterfirmen in Österreich auf, was die Arbeitslosenrate wie in Deutschland auf unter 3 Prozent drückte. Milliardenprojekte, wie den Aufbau des Speicherkraftwerkes Kaprun oder der Ausbau der Westautobahn (Salzburg-Wien) wurden in Angriff genommen und schufen wiederum Arbeitsplätze.

1949 erfanden Ingenieure der VÖEST das sogenannte Linz-Donawitz-Verfahren, das weltweit die Stahlproduktion revolutionierte. In Steyr-Puch wurden 1959 und 1965 neue Geländefahrzeuge konstruiert, der so genannten Haflinger und der Pinzgauer, die ein Exportschlager wurden. Erst Mitte der 1960er Jahre kam die hohe Dynamik langsam zum Erliegen, erste Krisen der verstaatlichten Unternehmen und ein Nachlassen im Zuwachs der Kaufkraft setzen ein.

Literatur

  • Werner Abelshauser: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. (1945–1980) (= Edition Suhrkamp 1241 = NF 241 Neue historische Bibliothek). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11241-4.
  • Gérard Bökenkamp: Das Ende des Wirtschaftswunders. Geschichte der Sozial- Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969–1988. Lucius & Lucius, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8282-0516-1.
  • Fritz Diwok, Hildegard Koller: Reinhard Kamitz. Wegbereiter des Wohlstands. Mit Geleitworten von Heinrich Treichl und Alois Brusatti. Molden, Wien u. a. 1977, ISBN 3-217-00840-5.
  • Anselm Doering-Manteuffel, Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-30013-8.
  • Rudolf Großkopff: Unsere 50er Jahre. Wie wir wurden, was wir sind. Eichborn, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8218-5620-3.
  • Frank Grube, Gerhard Richter: Das Wirtschaftswunder. Unser Weg in den Wohlstand. Hoffmann und Campe, Hamburg 1983, ISBN 3-455-08723-X.
  • Nina Grunenberg: Die Wundertäter. Netzwerke der deutschen Wirtschaft 1942 bis 1966. Pantheon, München 2007, ISBN 978-3-570-55051-9.
  • Konrad H. Jarausch (Hrsg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-36153-5.
  • Alexander Jung: Plötzlich waren die Regale voll. In: Der Spiegel. 52/2005, ISSN 0038-7452, S. 48–53.
  • Rainer Klump: Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zur Kritik neuerer wirtschaftshistorischer Interpretationen aus ordnungspolitischer Sicht (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Bd. 29). Steiner-Verlag-Wiesbaden, Stuttgart 1985, ISBN 3-515-04475-2.
  • Ludger Lindlar: Das mißverstandene Wirtschaftswunder. Westdeutschland und die westeuropäische Nachkriegsprosperität (= Schriften zur angewandten Wirtschaftsforschung. Bd. 77). Mohr-Siebeck, Tübingen 1985, ISBN 3-16-146693-4 (Zugleich: Berlin, Freie Univ., Diss., 1996).
  • Manfred Julius Müller: Das neue Wirtschaftswunder. Die Entmachtung des globalen Dumpingsystems. Books on Demand, Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-3649-2.
  • Axel Schildt, Detlef Siegfried, Christian Lammers (Hrsg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte. Bd. 37). Christians, Hamburg 2000, ISBN 3-7672-1356-7.
  • Axel Schildt, Arnold Sywottek (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Ungekürzte, durchgesehene und aktualisierte Studienausgabe. Dietz, Bonn 1998, ISBN 3-8012-4091-6.
  • Ludwig Wilhelm Schleiter: Von der Vitalität der Nationen. Über die Grundlagen einer erfolgreichen Kultur-Evolution und ihre natürlichen Feinde. Die Anthroposymbiosen-Theorie. LP-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-00-015133-8.
  • Irmgard Zündorf: Der Preis der Marktwirtschaft. Staatliche Preispolitik und Lebensstandard in Westdeutschland 1949 bis 1963 (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 186). Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08861-X (Zugleich: Potsdam, Univ., Diss., 2004).

Einzelnachweise

  1. 1 2 Wirtschaftswunder. In: Der Brockhaus Zeitgeschichte: vom Vorabend des Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart. 2003, ISBN 3-7653-0161-2; Wirtschaftswunder. In: Brockhaus, die Enzyklopädie: in vierundzwanzig Bänden. Band 24, 1999, ISBN 3-7653-3100-7.
  2. Materieller und geistiger Wiederaufbau Österreichs. auf: sciencev1.orf.at
  3. Felix Butschek: Österreichische Wirtschaftsgeschichte - : von der Antike bis zur Gegenwart. Böhlau, Wien 2011, ISBN 978-3-205-78643-6.
  4. 1 2 Wolfgang König: Die siebziger Jahre als konsumgeschichtliche Wende in der Bundesrepublik. In: Konrad H. Jarausch: Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte. Göttingen 2008, S. 84–99.
  5. Andreas Dilger, Ute Frevert, Hilke Günther-Arndt, Hans-Georg Hofacker, Dirk Hoffmann, Ulrich Maneval, Norbert Zwölfer u.a.: Kursbuch Geschichte - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 2003, S. 382.
  6. 1 2 Andreas Dilger, Ute Frevert, Hilke Günther-Arndt, Hans-Georg Hofacker, Dirk Hoffmann, Ulrich Maneval, Norbert Zwölfer u. a.: Kursbuch Geschichte - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 2003, S. 381.
  7. Irmgard Zündorf: Der Preis der Marktwirtschaft. Staatliche Preispolitik und Lebensstandard in Westdeutschland 1949 bis 1963. Stuttgart 2006, S. 153.
  8. Axel Schildt: Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90. Oldenburg 2007.
  9. Axel Schildt, Detlef Siegfried: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik – 1945 bis zur Gegenwart. München 2009, S. 181.
  10. Hans Braun: Das Streben nach Sicherheit in den 1950er Jahren. Soziale und politische Ursachen und Erscheinungsweisen. In: Archiv für Sozialgeschichte. 18 (1978), S. 279–306.
  11. Jochen Streb: Innovationen und Wirtschaftliche Entwicklung. ((online) [PDF]).
  12. Mark Spoerer: Wohlstand für alle? Soziale Marktwirtschaft. In: Thomas Hertfelder, Andreas Rödder: Modell Deutschland. Vandenhoeck & Ruprecht, 2007, ISBN 978-3-525-36023-1, S. 34.
  13. Hans-Jürgen Wagener: Die 101 wichtigsten Fragen - Konjunktur und Wirtschaftswachstum. C.H. Beck, 2010, ISBN 978-3-406-59987-3, S. 33.