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Werner Kirstein: Klimawandel#

Werner Kirstein: Klimawandel / Realität, Irrtum oder Lüge?, OSIRIS, 2020 / Rezension von Hermann Maurer

Werner Kirstein: Klimawandel
Werner Kirstein: Klimawandel

Der Autor des Buches war vor seiner Pensionierung Professor an der Universität Leipzig, und hat sich schon in seiner Doktorarbeit 1981 mit Klimaproblemen beschäftigt, und dieses Thema ca. 40 Jahre weiterverfolgt.

Eine seiner Grundfeststellungen, dass das Klima immer wieder Wärme- und Kaltphasen hatte, lange bevor ein Mensch lebte der für einen CO2 Ausstoß verantwortlich sein konnte, ist genau so richtig, wie dass keine direkte Korrelation zwischen der Weltdurchschnittstemperatur und dem CO2 Gehalt der Luft nachweisbar ist: Während der ersten großen Eiszeit vor ca. 400 Millionen Jahren war die CO2 Konzentration viel höher als sie heute ist, auch während der zweiten lag sie höher. Dass die heutige CO2 Konzentration von 420 ppm noch nie so hoch war, wie oft behauptet wird, stimmt nicht. Selbst zwischen 1810 und 1960 gab es Konzentrationen bis zu 550 ppm. Die „kleine Eiszeit“ vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist (Zitat) „eine starke Abkühlung, fast 100 Jahre lang weltweit nachweisbar.“ In den folgenden 200 Jahren erfolgte eine Erwärmung um 1.5°, die sich bis heute fortsetzt. Der Beginn der Erwärmung fällt mit dem Beginn industriellen Revolution zusammen.

An dieser Stelle beginnt nun der Autor von den allgemein gültigen Annahmen abzugehen. (Zitat): „Die Klimaaktivisten täuschen … die Öffentlichkeit und behaupten, die … Wiedererwärmung würde auf menschliche Einflüsse zurückgehen“ und „dass dabei Kohlendioxid die entscheidende Rolle spielt, weil mehr CO2 eine Erwärmung bewirkt". Diese im Kapitel 3 als „Klimalüge“ bezeichnete Behauptung, dass es keinen Treibhauseffekt gibt, die ab nun weite Teile des Buches dominiert widerspricht aber den Fakten, obwohl es auch dazu ganze Bücher gibt (etwa „Zweifel am atmosphärischen Treibhauseffekt“ von Hans-Jürgen Haase) die den Autor unterstützen! (Siehe Schlussbemerkung zu dieser Rezension).

Faktum ist, dass ohne die schützende Lufthülle mit mehreren Gasen die einen „Treibhauseffekt“ verursachen (meist wird Wasserdampf weit vor Kohlendioxid an erster Stelle genannt), die Erdoberfläche (um einfach zu argumentieren,) so kalt wie die Oberfläche des Mondes wäre.

Trotz einiger weiterer interessanten Facetten, Zitaten und Fakten die der Autor im Buch erwähnt wird dieses damit als ganzes unglaubwürdig.

Um dem Autor aber gerecht zu werden, seien doch einige der durchaus vielen hervorstechenden Bemerkungen als Beispiele erwähnt:

Beispiel 1: So schreibt schon der IPCC in einem frühen Bericht (ich übergehe die Begründungen): „Deshalb sind längerfristige Vorhersagen über die Klimaentwicklung nicht möglich.“ (Später beschuldigt der Autor freilich auch den IPCC für Falschmeldungen, aber die erwähnte bringt er mehrmals).

Beispiel 2: Sehr provokant: „Der sogenannte menschengemachte Klimawandel ist heute … ein Dogma von mindestens vergleichbarem Ausmaß geworden, wie es das Dogma des geozentrischen Weltsystems einmal war.“

Beispiel 3: An mehreren Stellen argumentiert der Autor richtig, dass viele Medienberichte ein apokalyptisches Klimaszenarium ausmalen, weil nur damit Aufmerksamkeit, finanzielle Unterstützung etc. erreichbar sind.

Beispiel 4: Das Wall Street Journal, so berichtet der Buchautor, schreibt im Januar 2019 „Deutschlands weltweit dümmste Energiepolitik“ basierend auf „After giving up nuclear power, Germany wants to abandon coal“.

Dass der Buchautor trotzdem irgendwie an die Schädlichkeit von CO2 glaubt erkennt man an einigen Stellen, etwa weil er für die Verwendung von Erdgas anstelle von Kohlekraftwerken appelliert, weil diese 50% weniger CO2 pro Kilowattstunde ausstoen…

Schlussbemerkungen

Mich hat das Buch insofern fasziniert, weil es und seine Verweise zeigen, dass es in unserer Gesellschaft fast wie bei COVID sehr verschiedenen Ansichten gibt, die so weit auseinander liegen, dass eine Diskussion zwischen den Proponenten gar nicht mehr möglich scheint. Sehr kompakt formuliert:

(a) Die „Klima- Katastrophler“: Für sie ist die Zunahme von CO2 in der Luft der einzige und ein von Menschen erzeugter Grund für eine immer stärker werdende Erwärmung der Erde, die zu einer Katastrophe führen muss. Kommentar von mir: Auch die radikalsten und immer mehr wirtschaftsschädlichen Maßnahmen zur Reduktion von CO2 werden erfolglos bleiben: Dazu wächst z.B. die Bevölkerung von Afrika von heute ca. 1,2 Milliarden auf über 4 Milliarden bis 2050 (Es wird dann Nigeria allein so viele Einwohner haben wie ganz Europa). Gleichzeitig wird dort ein Lebensstandard angestrebt, wie wir ihn etwa in Europa kennen, wofür pro Kopf sehr viel mehr an Energie und Ressourcen notwendig sind als das heute der Fall ist. D.h. der Bedarf an Energie in Afrika wird bis 2050 auf das 6 bis 10fache steigen. Das ist ohne klassische Kraftwerke nicht erreichbar, d.h. es entsteht dort viel mehr CO2 als Europa je einsparen kann, und wie weit CO2 überhaupt der Hauptsünder ist, ist unklar, siehe nachstehende Zeilen. Andererseits, es hat Zeiten mit viel höheren Temperaturen in Europa gegeben (12. Jahrhundert) in denen in England Weinbau betrieben wurde. Und: In Griechenland ist es 10 Grad wärmer als in Österreich, aber das Land lebt gut damit, und fahren wir nicht gerade wegen der Wärme dort gerne hin?

(b) Die „Realisten“: Die heutigen Menschen mit einem europäischen Lebensstandard sind durch ihre Technologien und den CO2 Ausstoß für die Erderwärmung mitverantwortlich. Die unbeantwortete Frage ist dabei: In welchem Ausmaß (wo zwischen 2% und 98%?), und wie geht man damit um, dass die Mehrheit der Erdbevölkerung auf einen (deutlich höheren) Lebensstandard kommen will und soll. Kommentar von mir: Man muss mehr Geld in die Forschung investieren, mit Priorität 1: Was verursacht eigentlich die Erderwärmung wirklich, denn nur wenn man das weiß, kann man vernünftig reagieren; Priorität 2: Was können wir durch einfache Lebensänderungen ohne viel beeinträchtigt zu sein, erreichen (kleinere Autos, öffentlicher Verkehr wo sinnvoll, weniger Fleisch essen,…). Priorität 3: Entwicklung neuer Methoden für Energiegewinnung, Energiesparen, Recyceln und Hilfe für aufstrebende Länder. Das entspricht in vieler Weise was Steve Koonin sagt, siehe Buchbesprechung.

(c) Die „Leugner des Klimawandels“: Ihre Aufforderung, Katastrophenberichterstattung, die aus kommerziellen Gründen erfolgt, zu verhindern, sollte man massiv unterstützen. Ihre Argumente sollte man genau analysieren und wissenschaftlich widerlegen, wie das in vielen Fällen, vielleicht nicht bei allen, möglich ist. Überprüfung, ob nicht einige der Aktionen von Organisationen der Leugner eine verbotene Aufhetzung bedeutet. Kommentar von mir: Hier ist eine komplexe Gratwanderung notwendig. Schon jetzt verbieten Twitter und Google gewisse Äußerungen: Wie weit soll das gehen, wo hört dann die Demokratie auf, wenn Gegenargumente nicht mehr verbreitet werden dürfen/können?

PS: Ich bitte um Entschuldigung, dass ich in den Kommentaren meine eigene Meinung habe einfließen lassen, was man in einer Buchbesprechung im Allgemeinen nicht tun soll.