Bernhard Reismann: Steiermark#
Bernhard Reismann: Steiermark. Eine Geschichte des landes. Styria Verlag Graz 2012. 344 S., ill., € 19,99
Ein Geschichtsbuch, wie man es sich nur wünschen kann: kompakt und kompetent. Der Historiker und Ethnologe Bernhard Reismann zeichnet die Vergangenheit der Steiermark als umfassendes Panorama. Es umfasst nicht nur die "große Geschichte" der Schlachten, Siege und Niederlagen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung, Alltagsleben, Kultur und Glaubensvorstellungen. Kleinformatig-handlich enthält das Buch auch zahlreiche Illustrationen, teilweise sogar Farbtafeln. Wie ein roter Faden ziehen sich die Tipps über leicht erreichbare Ausflugsziele, passend zur jeweils geschilderten Epoche, durch dfen Textteil. Gegenwartsbezüge erweisen sich als benützerfreundlich. Was sollen sich Fremde unter touristischen Trademarks wie Vulkanland, Kräftereich, Schilcherland oder Lipizzanerland vorstellen? Das Einleitungskapitel liefert die Erklärungen: Gemeint sind die Südsteiermark, das Joglland, die Bezirke Leibnitz und Deutschlandsberg sowie Voitsberg.
Auch ein gewisser Humor ist dem Autor nicht abzusprechen: "Die ältesten Österreicher waren Steirer, könnte man sagen", beginnt er die historische Abhandlung mit der Vorgeschichte (250.000 bis 15 v. Chr.) 1910 entdeckte der Bergknappe Anton Repolust in der später nach ihm benannten Höhle die ältesten bisher bekannten Spuren menschlicher Existenz in Österreich. Ein Teil der Funde wurde um 250.000 v. Chr. datiert und den Neandertalern zugeordnet. So schildert der Autor Epoche für Epoche des Landes "im steten Wandel" bis er im Jahr 2012 ankommt.
Außerdem erfährt man einiges über Sonderthemen, beispielsweise die slawischen Wurzeln steirischer Ortsnamen, wie Graz: von gradec, kleine Burg. Häufig kommen die Bezeichnungen von Wasserläufen: Feistritz: von bistrica, Wildbach oder Schladming von slapnicka, Ort am Wasserfall. Zeitgenössische Zitate werfen ein bezeichnendes Licht auf die Vergangenheit. So klagte der Dichter Ulrich von Liechtenstein Mitte des 13. Jahrhunderts über das Interregnum: "Die Reichen nahmen den Armen ihr Gut". Ein Jahrhundert später erschütterten Pest, Hunger und Erdbeben die Steiermark. Im Kapitel Vormärz ist ein größerer Abschnitt dem "steirischer Prinz" genannten Erzherzog Johann (1782-1859) gewidmet, der die kulturelle ebenso wie die wirtschaftliche Entwicklung und den Eisenbahnbau vorantrieb. Bei seinem Tod war ein anderer, später berühmter Steirer 16 Jahre alt, der Kleinbauernsohn Peter Rosegger. Er erlernte das Schneiderhandwerk, ehe er Zeitungsredakteur und dann ein weltberühmter Autor wurde. Erster und Zweiter Weltkrieg spiegeln sich in Momentaufnahmen von Zeitzeugen.
Nur langsam erholte sich die steirische Wirtschaft aus der Nachkriegskrise. Hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, führte bis 1954 zu einer Auswanderungswelle in die Schweiz, die USA und Kanada. Der wohl berühmteste unter ihnen war ein 1932 in der Oststeiermark geborener Werkzeugmacher namens Franz Strohsack, der sich mit einem Startkapital von 200 kanadischen Dollar eine neue Existenz aufbaute. Das Buch klingt mit Überlegungen zum Kunst- und Kulturland Steiermark aus. 2003 war Graz Kulturhauptstadt Europas. Schon davor zeichnete sich das Bundesland durch Veranstaltungen aller Richtungen aus: Trigonausstellungen - mit der Beteiligung steirischer, italienischer und jugoslawischer Künstler -, Steirischer Herbst, Musikprotokoll, Styriarte, Forum Stadtpark, Straßenkunstfestivals etc. "Die Vielfalt der Steiermark spiegelt sich wohl am besten in der Vielfalt ihrer Menschen wider, insbesondere ihrer Künstler" , schließt Bernhard Reismann sein Panorama.