Ernst Bezemek und Friedrich Ecker: Das alte Hollabrunn#
Ernst Bezemek und Friedrich Ecker: Das alte Hollabrunn und seine Katastralgemeinden in früherer Zeit. Ediion Winkler-Hermaden Schleinbach 2015. 96 S., ill., € 14,95
Der Verlag Winkler-Hermaden etabliert sich zusehends als Spezialist für Bücher über das Weinviertel "in früherer Zeit". Unerschöpfliche Quellen bilden historische Zeitungen und Postkartensammlungen. Nach Deutsch-Wagram, Korneuburg und Wolkersdorf ist nun "das alte Hollabrunn" zum Thema eines illustrierten Ortsbuches geworden. Jeder dieser Bild-Texte-Bände im A5-Querformat mit harter Bindung hat knapp 100 Seiten und liegt unter der Preisschwelle von 15 Euro. Autoren sind Ernst Bezemek, der Direktor, und Friedrich Ecker, Projektleiter des Stadtmuseums Hollabrunn, die 2013 ein Buch über die Prager Straße herausgegeben haben.
Die jetzige Bezirkshauptstadt im westlichen Weinviertel hieß bis 1927 Oberhollabrunn (zur Unterscheidung von Niederhollabrunn im Bezirk Korneuburg). Die Gemeinde besaß schon im 14. Jahrhundert das Marktrecht und wurde 1908 zur Stadt erhoben. Seit mehr als vier Jahrzehnten umfasst die Stadtgemeinde Hollabrunn nun 22 Katastralgemeinden: Altenmarkt im Thale, Aspersdorf, Breitenwaida, Dietersdorf, Eggendorf im Thale, Enzersdorf im Thale, Groß, Hollabrunn, Kleedorf, Kleinkadolz, Kleinstelzendorf, Kleinstetteldorf, Magersdorf, Mariathal, Oberfellabrunn, Puch, Raschala, Sonnberg, Suttenbrunn, Weyerburg, Wieselsfeld, Wolfsbrunn. Vor allem ihnen ist das Buch gewidmet, doch erfährt auch die eigentliche Stadt eine entsprechende Würdigung.
Eine Ansichtskarte aus der Zeit um 1910 zeigt die Hofmühle, die im Mittelalter der Sitz der Herren von Oberhollabrunn war. Von 1699 bis Mitte des 20. Jahrhunderts diente das Gebäude als Mühle, seit 1974 ist das Stadtmuseum darin untergebracht. Dieses verfügt über einzigartige Bildquellen zur Geschichte der Großgemeinde. Die Autoren wählten für ihr Buch aus den reichen, meist unveröffentlichten, Beständen 80 Bilder aus den vergangenen 120 Jahren aus. Sie wollen "den weitgehend undramatischen Alltag des Lebens von Menschen an der Peripherie" zeigen und die "mit der 'Heimat Hollabrunn' verbundenen Erinnerungen" wecken. Oft hatten diese mit dem Hollabrunner Volksfest zu tun. Eine Karte aus dem Jahr 1978 zeigt Mähdrescher in Reih und Glied und eine beeindruckende Zahl an Besuchern. Die Landwirtschaftsmesse ist Geschichte, sie wurde zum Vergnügungspark namens Augustwies'n.
Die Mehrbildkarte aus Altenmarkt im Thale zeigt einen Blick auf das Dorf, mit Kindern im Vordergrund, und was sonst für den Alltag wichtig war: Greißler, Kirche und Postamt. Die Pfarrkirche von Aspersdorf zählt zu den Patronatskirchen des Reichskanzlers Friedrich Karl Graf Schönborn, der für deren Bau Johann Lukas von Hildebrandt engagiert hatte. In Breitenwaida bestanden um 1900 zwei Gasthäuser, 1927 kam ein Café-Restaurant samt Kino und Gastgarten dazu. Der "Gruß aus Dietersdorf" aus den 1920er- Jahren stellt die baumbestandene Hauptstraße, das Gebäude der damals neuen Milchgenossenschaft und das Kriegerdenkmal dar. (Allerdings steht hier, es stamme aus dem Zweiten Weltkrieg). Eggendorf im Thale war ein wichtiger Punkt am alten Verkehrsweg in die Slowakei und Herrschaftssitz. Die Pfarrkirche ist - als einzige in Österreich - der hl. Afra geweiht. Das Bild von Enzersdorf im Thale zeigt außer der Kirche mehrere herrschaftliche Gebäude: Jagdhaus Ödenkirchen, Schloss Glaswein und Schloss Enzersdorf. Aus Groß gibt es ein seltenes Sujet: Die Kirtagsburschen, die einen der traditionellen Weinviertler Kirtage organisierten. Kleedorf nannte sich auf einer Fotopostkarte aus den 1930er Jahren stolz "Sommerfrische". In Kleinkadolz gibt es eine Erinnerungsstätte an das Ende des Zweiten Weltkriegs und ein Friedenskreuz des Dekanates Hollabrunn.
In Kleinstelzendorf bildeten, wie in vielen Dörfern, Gasthaus und Gemischtwarenhandlung eine Einheit. Hier übernahmen in den 1930er-Jahren Besitzer einer Bierabfüllerei den Betrieb. Der Wiener Ansichtskartenmaler Josef Prokopp stellte im Auftrag von Gemischtwarenhändlern und Gastwirten perspektivische Ortsansichten her, so auch in Kleinstetteldorf. Eine in den 1920er- Jahren entstandene Mehrbildkarte aus Magersdorf zeigt eine damals moderne Häuserzeile, die Barockkirche und einen gut besuchten Gasthausgarten. In kleinen Gemeinden amtierte der Bürgermeister noch Mitte des 20. Jahrhunderts in seinem Privathaus. In Mariathal vermittelte die Tafel "Bürgermeisteramt" dem ebenerdigen Hof offiziellen Charakter. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert waren farbige Ansichtskarten ein beliebtes Kommunikationsmittel, einen solchen Gruß konnte man auch aus Oberfellabrunn schicken. Die Dorfstraße von Puch war mit Bauernhäusern verbaut, in deren Vorgärten Obstbäume standen. Das Ortsbild änderte sich, wie allgemein in Niederösterreich, dramatisch seit den 1960er- Jahren. Eine Ansicht aus den 1930er- Jahren zeigt das "Hintaus" von Raschala. So nannten die Weinviertler den Weg an der Rückseite der Scheunen.
Schloss Sonnberg wurde um 1596 zu einem dreigeschoßigen Vierflügelbau erweitert, der heute als Strafanstalt dient. In einem Haus in Suttenbrunn befanden sich in den 1950er- Jahren nicht nur Gaststätte, Greißler und Poststation, sondern davor auch eine Tankstelle. In der Wiener Kunstanstalt Schwidernoch entstanden um 1900 zahlreiche Farblithografien, so die Ansichtskarte von Weyerburg, die Ansichten von Schloss, Kirche und Schule, phantasievoll umrahmt, vereint. Wieselsfeld hatte 1950 noch eine Agrarquote von 89 %. Das Bild zeigt ein Pferdegespann mit einem Bindermäher aus dieser Zeit. Das gesellschaftliche Leben in den Weinviertler Dörfern spielte sich vielfach in den Kellergassen ab. Man verkostete den Heurigen zur mitgebrachten Jause und tauschte Informationen aus. Auf einer Kellergassenszene in Wolfsbrunn sieht man den "legendären Wirt Goldinger". Eine Fülle von Details zeichnet die informativen Texte aus. Sie zeugen von der großen Ortskenntnis der Verfasser. Auf Seite 43 hat allerdings der Druckfehlerteufel zugeschlagen und aus der Mutterpfarre Eggendorf eine "Musterpfarre" gemacht.