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unbekannter Gast

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Allerhand Leitungen#

(Wie kommt der Strom in die Stadt?)#

Von Martin Krusche#

Ich erinnere mich an das Gespräch mit einem Agraringenieur, der unter anderem sagte: „Mir kommen die Tränen, wenn ich sehe, daß auf gutem Boden keine Nahrungsmittel, sondern Energiepflanzen angebaut werden.“ Ich erinnere mich auch gut an erheblichen Widerstand gegen den Bau der 380 kV-Leitung durch die Oststeiermark. Die Trassen für Überlandleitungen sind den meisten Menschen suspekt. Zugleich haben wir als Gesellschaft offenbar einen Energiehunger, der nicht abflauen will.

Der Überfall Rußlands auf die Ukraine hat uns unter anderem sprunghaft steigende Energiekosten beschert. Ich finde es bemerkenswert, daß in meiner subjektiven Wahrnehmung die Debatte über gestiegene Preise viel breiter daherkommt als eine Debatte über das Energiesparen.

Dem steht wenigstens gegenüber, daß Solarenergie in der Region recht breit genutzt wird. Oftmals ist also der Strom schon da und muß nicht erst angeliefert werden. Vielfach werden unterschiedliche Quellen kombiniert.

Es gibt auch sehr kuriose Sonderfälle. Eine Bekannte, versierte Verkaufsberaterin im Autohandel, erzählte mir dieser Tage von einem pfiffigen Menschen, der begonnen hatte, sein Auto in ihrem Betrieb gratis aufzuladen, um den Strom danach zuhause einzuspeisen und so seine Beute zu verwerten.

Der große Aufwand an Infrastruktur#

Für mich ist diese Situation vor allem einmal der Anlaß, mich bezüglich Elektrizität etwas sachkundiger zu machen.Wie kommt denn überhaupt der Strom in die Stadt und in meine Wohnung? Das interessiert mich auch im Zusammenhang einer historischen Betrachtung, um ein klareres Bild zu haben, was die Bedingungen unseres aktuellen Komforts sind. Welche Technik und welche Infrastruktur verlangt das? (Ich sehe, der gesamte Aufwand ist enorm.)

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Gittermasten einer Überlandleitung

Ich fasse hier in einer groben Skizze zusammen, was uns umgibt, damit wir ein angenehmes Leben in Gang halten können. Die eingangs erwähnte 380 kV-Leitung steht für Hochspannung. Ebenso die hiesigen 110 kV-Leitungen. Das bedeutet: für den Transport wird die Stromspannung erhöht, weil das die Übertragungsverluste geringer hält. Dieses Thema hat etwa damit zu tun, daß der elektrische Strom in einer Leitung Widerstand erfährt, der zu Verlusten führt, die eben bei niedriger Spannung weit höher ausfallen.

Techniker Ferdinand M. Lanner hat es mir mit dieser Metapher erläutert: „Das mit den hohen Spannungen wegen Leitungswiderstand ist ganz einfach. Nimm einen Gartenschlauch und halte vorne den Daumen drauf. Bei wenig Druck (220 V) kannst du so zuhalten, dass nix raus kommt. Drehst du mehr auf (20 kV Ortsstrom), kommt mehr durch, da kannst du nur noch wenig Wasser aufhalten. Drehst du voll auf, kannst du gar nix mehr aufhalten. Da kommt alles raus, was das Wasserwerk liefert. Aber ist immer noch derselbe Daumen (Widerstand) und derselbe Schlauch.“

Was ist ein dicker Schlauch?#

Im „Schweizer Maschinenmarkt“ hieß es 2016: „UHGÜ ist eine Weiterentwicklung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung-Technologie HGÜ. Sie dient der Energieübertragung über weite Entfer­nungen. Für die Chinesen ist diese 1.100-kV-Leitung nicht die erste ÜHGU-­Anlage, die sie in Betrieb nehmen.“

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Gleisdorfer Umspannwerke

Aus Nachrichten der Maschinenfabrik Reinhausen erfahre ich: „Damit die elektrische Leistung mit möglichst wenig Verlusten über weite Strecken transportiert werden kann, muss die Leistungsübertragung mit geringem Strom und hoher Übertragungsspannung erfolgen.“

Das bedeutet zum vorhin erwähnten Projekt, die Trasse von Changji (Provinz Xinjiang) nach Guquan (Provinz Anhui): „3.284 Kilometer lang ist sie und hat eine Übertragungsleistung von zwölf Gigawatt. Das entspricht in etwa der Leistung von zwölf konventionellen Großkraftwerken. Für die Übertragung ist eine 1.100-Kilovolt-Gleichspannung nötig.“

Oststeirische Verhältnisse#

Per Überlandleitung kommen also im Raum Gleisdorf 110 kV und 380 kV an. Aus den Steckdosen meiner Wohnung fließen aber nur 230 Volt, also ein minimaler Bruchteil dieser Spannung. Ich hab mir je im Süden und im Norden der Stadt Umspannwerke angesehen. Dort kommt die Hochspannung über imposante Abspannportale herunter und Transformatoren wandeln den Strom für die Stadt wahlweise auf 10 kV oder 20 kV um. Die werden über Erdkabel in das Stadtgebiet hereingebracht.

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Wo die Erdkabel von den Umspannwerken zu den Trafostationen führen.

Wenn Sie es erst einmal wissen, dann werden Ihnen vermutlich unzählige Trafokästen und Trafohäuschen auf unseren Straßen auffallen. Manchmal ist es eine spartanisch gestaltete Kiste, manchmal die nüchterne Art einer Garage, gelegentlich sind es größere Bauwerke.

Doch immer warnen Schilder vor einen Annäherung, denn ein Transformator in Betrieb bedeutet massive Lebensgefahr. Diese Strukturdetails sorgen also, daß Trafos den Strom von der Transportspannung auf die Netzspannung herunterbringen. In unseren Haushalten haben freilich allerhand Geräte ihre eigene Betriebsspannung.

Transportspannung, Netzspannung und Betriebsspannung... jede Menge Bedarf an Transformatoren. Die kleineren Befinden sich in Ihrem Besitz; nämlich als interne oder externe Netzteile von Geräten. Die wandeln Netzspannung auf eine benötigte Betriebsspannung. Eine meiner externen Festplatten hat so ein Dings als Teil des Netzkabels und ist entsprechend beschriftet. Das Teil frißt als Input 100 bis 240 Volt, um der Festplatte 5 bis 12 Volt anzubieten. Da hier aus der Steckdose 230 Volt kommen, läuft das anstandslos.

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Trafostationen in der Stadt

Auch dieser Transformationsprozeß hat einen Verlust, der als Wärme abgeht. Nehmen die Netzteile nach einiger Betriebszeit in die Hand, dann spüren sie das. Große Transformatoren werden wegen solcher Effekte gekühlt, etwa durch ein Ölbad, weil sie sonst durchbrennen könnten.

Fußnote E-Mobilität#

Das ist als Begriff schon lange ein Lieblingsthema diverser Regionalmanagements und lokaler Politik. Lassen wir beiseite, daß ich Profis aus der Automobilbranche kenne, von Konstrukteuren bis zu Fachleuten der Chipentwicklung, darunter fand ich noch keine einzige kompetente Person, die mir E-Mobilität als Zukunft der Volksmotorisierung genannt hätte.

Ich präzisiere das Thema. Es geht um die individuelle Mobilität, wie wir sie gewohnt sind, basierend auf der Massenbasis des Privatbesitzes von Kraftfahrzeugen; so wie sich das aus den 1950er Jahren heraus entfaltet hat. Genau das, realisiert mit Flotten von Elektrofahrzeugen, die sich mit Batterien abschleppen?

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Netzteile sind Transformatoren

Ich hab nicht die geringste Vorstellung, wie das praktisch gehen soll, finde auch bisher niemanden, der mir das nachvollziehbar erklärt. Aber etwas anderes hab ich erfahren. Ich höre, daß unsere regionalen Netze in ihren Kapazitäten derzeit so sehr ausgelastet sei, daß im Moment nicht einmal private Betreiber einer Photovoltaik-Anlage ihren Überschuß einspeisen können. Da besteht aktuell also eine Menge Klärungsbedarf.

Vertiefend#