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Kasimir Malewitsch (1879-1935), Schwarzes Quadrat auf weißem Grund, 1915/1924, 106,2 x 106,5cm, Öl auf Leinwand, St. Petersburg, Staatliches Russisches Museum
Kasimir Malewitsch (1879-1935), Schwarzes Quadrat auf weißem Grund, 1915/1924, 106,2 x 106,5cm, Öl auf Leinwand, St. Petersburg, Staatliches Russisches Museum

Ästhetik? Kann ich auch!#

(Ein Beitrag für die Ebene #3: Reale soziale Begegnung)#

Von Monika Lafer#

Ästhetik steht in ihrer ursprünglichen Bedeutung für Wahrnehmung, das griechische Wort aisthetos bedeutet wahrnehmbar, aisthetikos heißt der Wahrnehmung fähig. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff unterschiedlich interpretiert: Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts beschreibt man mit ästhetisch etwas Geschmackvolles, Schönes, 250 Jahre später versteht man jemanden als Ästhet, der einen besonders ausgeprägten Sinn für das Schöne hat.1)

In Kunst und Philosophie greift Ästhetik als die Lehre vom Schönen jedoch zu kurz: Zum einen umfasst Ästhetik niemals nur für unser Dafürhalten Wohlgeformtes, sondern auch ihr Gegenteil und zum andern geht es in den Disziplinen um Wahrnehmung von Werken bzw. Gegebenheiten.

Wir stellen uns vor, wir sehen ein Gemälde, sei es gegenständlich oder ungegenständlich – und schon geht die Interpretationsmaschinerie im Kopf los: Was ist das? Was soll das sein? Schön? Abstoßend?

Man könnte auch vor dem Werk stehenbleiben und es nur ansehen, ohne gedachte Worte, wahrnehmen, so, als ob man als Alien auf der Erde eben gelandet wäre (auch wenn man weiß, dass man alles bisher Erlebte in jede neue Seherfahrung integriert).

Mark Rothkos White Cloud over Purple2) wäre ein perfektes Beispiel, um die Ästhetik als angewandte Wahrnehmung einzusetzen.

Rothko selbst wollte den Raum unmittelbar durch Farbe und ohne Realitätsbezug erlebbar machen.3) Punkt, fertig. Keine unpassenden Interpretationen wie feminine Farben oder versteckte Symbolik. Es ist das, was wahrgenommen werden kann. Das ist hier die Rolle der Ästhetik.

Rund 40 Jahre zuvor hatte Kasimir Malewitsch Farbe und Form im Bild einen wichtigeren Platz eingeräumt als das vermeintlich Dargestellte. Es führte zu berühmten Werken wie Schwarzes Quadrat auf weißem Grund. Und auch hier gilt: Es gibt keine langatmige Interpretation.

Malewitsch wollte an die Grenze des Nichts vorstoßen, er nannte das Bild die nackte, ungerahmte Ikone unserer Zeit, wir befinden uns mit diesem Werk in der Zeit um 1915.4)

Oft hört man aus dem Publikum: „Das kann ich auch!“ Ja, eh. Aber es interessiert halt niemanden. Und selbst wenn man das schwarze Quadrat kopieren würde – was dann? Ende, finster.

So zeigt sich mit einem solchen Statement eine bestimmte Haltung – nämlich jene, dass man sich nicht auf ein Werk einzulassen gedachte (Selbstverständlich gibt es Arbeiten, die keinen allzu großen Eindruck machen, nicht jeder Schuss ist auch ein Treffer). Statt Neugier wird die eigene Meinung bemüht, zuviel davon verträgt sich bekanntlich schlecht mit einem wachen Geist.

Die Fußnoten#

  • 1) Quelle
  • 2) Als Reproduktion hier zu sehen: „White Cloud over Purple
  • 3) Ruhrberg et al, Kunst des 20. Jahrhunderts, Malerei, Band I, Köln 2010, S. 290.
  • 4) Ruhrberg et al, Kunst des 20. Jahrhunderts, Malerei, Band I, Köln 2010, S. 164.
  • Das Bild ist Public Domain