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Eines der bekanntesten Gedichte Österreichs.
Eines der bekanntesten Gedichte Österreichs.

Die Gedichtzeile#

Poiesis (Eine Sammlung)#

von Martin Krusche

Kürzlich kursierte in den Social Media wieder einmal Ernst Jandls Gedicht „lichtung“, das von einer Richtungsfrage handelt. Ich hab es als eines der bekanntesten österreichischen Gedichte Österreichs des 20. Jahrhunderts hervorgehoben.

Sein ironischer Wortlaut wurde fast vollständig zu einer Redensart, nämlich: „manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein illtum“. Das ist einerseits eine wunderbare und anschauliche sprachliche Umsetzung diese Rechts-Links-Schwäche, mit der manche Menschen zurechtkommen müssen.

Man könnte es andrerseits für eine politische Metapher halten. Dann aber ging mir durch den Kopf, was ich an weiteren Beispielen solcher Art kenne, in denen zumindest einzelne Gedichtzeilen zur stehenden Redensart wurde.

Ich mag solche Beispiele, weil sie belegen, wie manche Kunstwerke gelegentlich im Alltag ankommen, um zu bleiben. Wie sie da genutzt werden, belegt die Wirkung von Literatur. (Sie sollte keineswegs als „Orchideenfach“ abgetan werden.)

Zwei weitere Beispiele liegen nahe. Eines gilt als Lyrik, das andere ist ein Liedtext:

  • “Es ist was es ist / sagt die Liebe“
  • “Die wahren Abenteuer sind im Kopf“ („Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo!“)
Kennen Sie die Quellen? Es sind das Gedicht „Was es ist“ von Erich Fried und ein Liedtext von André Heller.
Womöglich einer des beliebtesten Gedichtbände österreichischer Nachkriegsliteratur.
Womöglich einer des beliebtesten Gedichtbände österreichischer Nachkriegsliteratur.

Es gibt andere Beispiele, in denen poetische Passagen einige Zeit zu gängigen Redensarten wurden, die sich für eine Weile im Alltag hielten. Lieder eignen sich dafür besonders gut, weil sie gewöhnlich mehr Reichweite haben als Gedichte.

So sang etwa Ina Deter: „Ich sprüh's auf jede Wand / Neue Männer braucht das Land“. Fast als etwas antiquierte Gegenposition Curd Jürgens mit: „Sechzig Jahre und kein bisschen weise / aus gehabten Schaden nichts gelernt“.

Oder es wurde aus dem einst populären Sponti-Spruch „Unter dem Pflaster liegt der Strand“, ein Lied, mit dem Angi Domdey unterwegs war.

Wer etwas älter ist, kennt noch ironische Paraphrasen, die aus prominenten Balladen abgeleitet wurden. So zum Beispiel „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller: „Zu Dionys dem Tyrannen, schlich / Damon den Dolch im Gewande, / Ihn schlugen die Häscher in Bande. / 'Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!' / Entgegnet ihm finster der Wüterich. / „Kartoffel schälen! Was kümmert's dich?“

All das macht auch erinnerlich, daß zum Beispiel epische Dichtung nicht bloß Werkcharakter hat. Das waren ursprünglich ganz wichtige Mnemotechniken, um sich Inhalte zu merken und sie weiterzugeben, als man noch keine Schrift zur Verfügung hatte.