Die erste industrielle Revolution#
(Beginn der Dampfmaschinenmoderne)#
Von Martin Krusche#
Das Prinzip der Dampfmaschine war schon lange bekannt, aber vorerst nicht praktisch nutzbar. Was James Watt schuf und 1769 patentiert bekam, war ein im laufenden Betrieb standfester Apparat, bei dem Energieaufwand und Energieausbeute in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. In der Folge wurde es auch wichtig, daß sich mobile Einheiten nutzen ließen, um eine ortsunabhängige Kraftquelle zu haben.
Vereinfacht gesagt: erst bekam die Dampfmaschine Räder verpaßt, damit man sie leichter bewegen konnte. Dann wurde die Kraft auf das Vehikel selbst angewandt: das Kraftfahrzeug, der pferdelose Wagen. Ich verstehe ja, daß man bei Mercedes-Benz (aus Gründen der Reputation) gerne behauptet, das erste taugliche Automobil sei dem Carl Benz 1886 patentiert worden.
Das damals kreierte Kunstwort müßte in korrektem Altgriechisch wohl Autokinet, in Lateinisch Ipsomobil lauten; also „Selbstbeweger“. Genau das war aber nicht erst der Patentwagen von Benz, sondern eindeutig der 1769 gebaute Dampftraktor des französischen Offiziers Nicholas Cugnot. Sein „Fardier à Vapeur“ („Dampfschweber“) wurde von Alain Cerf nachgebaut, um ihn auf seine Tauglichkeit hin zu überprüfen. Voila! Der erste pferdelose Wagen als Kraftfahrzeug, von dem wir wissen.
Was technische Grundlagen angeht, ist in der Antike schon alles dagewesen. Mechanik und Hydraulik wurden etwa in der Bühnentechnik des Theaterbetriebs genutzt und verfeinert: „Deus ex Machina“ (apò mēchanḗs theós). Die Kraft des Wasserdampfes könnte leicht beim Kochen entdeckt worden sein. Der anno 1900 gefundene Mechanismus von Antikythera beweist, daß Feinmechanik im alten Griechenland schon verfügbar war.
Bleibt die interessante Frage, weshalb es in der Antike keine technische Revolution gegeben hat. Aber hier ist es im Augenblick spannender, an einigen Punkten nachzuvollziehen, wie die Weltgeschichte unsere steirische Regionalgeschichte berührt hat. Die Steiermark war ursprünglich eine eher rückständige Region, die heutige Oststeiermark geradezu ein Armenhaus, dessen Landwirtschaft keinen Wohlstand möglich werden ließ.
Der steirische Prinz#
…war ja ursprünglich ein Italiener. Nicht im nationalistischen Sinn, sondern ethnisch. Er wurde in Florenz geboren; als Sohn des Großherzogs Leopold von Toskana und dessen Gattin Maria Ludovica von Spanien. Johann sprach zuerst Italienisch, dann Französisch, später erst Deutsch und Latein.Erzherzog Johann von Österreich, der Bruder von Kaiser Franz I., war ein sehr wohlhabender Aristokrat mit einem für seine Kreise untypischen Wissensdurst und Tatendrang. Ich neige zur Ansicht, daß seine angebliche „Volkstümlichkeit“ nichts mit einer operettenhaft-romantischen Zuneigung zu „einfachen Leuten“ zu tun hatte. Ganz im Gegenteil! Dieser wache Geist brauchte kluge, inspirierte Gegenüber, von denen er unter Leuten des Hochadels kaum welche finden konnte. Ergo ging er vorzugsweise den Talenten nach, nicht dem Stand.
Einige politische Fehler, die seinen kaiserlichen Bruder sehr behelligt hatten, trugen dazu bei, daß Johann an die Steiermark gebunden blieb. (Ein Glücksfall für diesen Landesteil.) Die Englandreise des populären Erzherzogs aus der Zeit 1815/1816 ist durch seine eigenen Aufzeichnungen gut dokumentiert.
Die penibel geführten Notizen erzählen uns etwa von seiner Begegnung mit James Watt, der dem steirischen Prinzen seine technische Innovation erläuterte. Johann von Österreich sorgte laufend für eine Know how-Transfer in die Steiermark, unterstütze Schau- und Lehrsammlungen.
Darauf beruht auch die Gründung des Joanneums, aus dem unter anderem die Technische Universität Graz hervorging. Dort, an der TU Graz, hat übrigens Nikola Tesla seine Ausbildung begonnen, um später bei der Elektrifizierung der Welt eine bedeutende Rolle zu spielen.
Maschinenstürmer#
Ich hab im Beitrag „Umbrüche“ (Die Industrialisierung von Agrarstaaten) schon erwähnt, daß die Textilindustrie in etlichen Debatten die „Mutter aller Industrien“ genannt wird. Das erinnert an jene frühen Prozesse, in denen menschliche Leistung so markant von Maschinen übertroffen wurde. Mechanische Spinnmaschinen und Webstühle machten in der Produktion Quantensprünge möglich und verdrängten die Heimarbeit.Weberaufstände, Maschinenstürmerei, soziale Unruhen; in all dem liegen etliche Denkanstöße für den aktuellen Paradigmenwechsel der 2000er Jahre, in dem der sekundäre Sektor unserer Wirtschaft (hauptsächlich die alte Industrie) seine ursprüngliche Rolle längst eingebüßt hat. Zu solchen Umbrüchen hier noch ein kurioses Detail aus dem 19. Jahrhundert.
In England herrschte zunehmender Unmut über minderwertige Konkurrenzprodukte aus Deutschland, die auf den britischen Markt geworfen wurden. Deshalb wurde 1887 der „Merchandise Marks Act“ zum Gesetz. Damit waren die deutschen Produzenten verpflichtet, ihre Waren mit den Worten „Made in Germany“ zu kennzeichnen, was – wie erwähnt – auf eine mindere Qualität der Produkte hinwies. Dieses Stigma wurde gewandelt. In meinen Kindertagen wußte ich schon, daß „Made in Germany“ den Rang einer Qualitätsmarke hat.
Wir leben seit rund 200 Jahren in einer permanenten technischen Revolution, deren Tempo für uns Menschen völlig neu ist. Längst sind uns Adaptionsphasen verlorengegangen. Es gelingt kaum noch, eine gesamtgesellschaftliche Gewöhnung an die Innovationen festzustellen. Was das an Problemen aufwirft, sollten wir stichhaltig diagnostizieren können. Taugliche Strategien? (Denn so viel ist aus der Geschichte schon klar geworden: Maschinenstürmerei ist keine wirksame Methode.)
- Die Mechanisierung der Welt (Übersicht)
- Neudau (Das Projekt, Phase II)