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Ohr#

Modell mit Ohrschmuck, Postkarte um 1900. Gemeinfrei

Die Ohren als Sinnesorgane sind mit einer Reihe populärer Vorstellungen verbunden. Der Arzt und Philosoph Paracelsus (1493-1541) bewertete große Ohren als Zeichen der Gesundheit, Intelligenz und guten Charakters. Früher hieß es, Sterbenden solle man etwas Gutes ins Ohr flüstern. Mittelalterliche Bilder zeigen Mariä Empfängnis in der Art, dass ein Lichtstrahl in ihr Ohr eindringt. 

Das Ab- oder Einschneiden der Ohren war eine Verstümmelungsstrafe. Ohrfeigen waren ein Zeichen der Demütigung und Herrschaftsausübung, die sich im Ritual der römischen Freilassung (letzte Ohrfeige), Firmungsritual, Handwerksbrauch und Ritterschlag fanden. "Feige" kommt von "feg" (Streich), wie auch bei Fegen oder Fegfeuer gebräuchlich. Streich oder Ziehen der Ohren sollten die Erinnerung wachhalten, z.B. bei Grenzsteinsetzungen und Vertragsabschlüssen. Zeugen wurden "zugezogen", ein Rechtsbrauch, der seit dem 7. Jahrhundert belegt ist. Damit im Zusammenhang steht der Ausdruck "sich etwas hinter die Ohren schreiben" (gut merken müssen). 

In Redensarten spielt das Ohr eine größere Rolle als das Auge. "Bis über beide Ohren" bezog sich ursprünglich wohl auf Ertrinkende. Wer "übers Ohr gehaut" wird, den betrügt man. Schlechte Arbeit würde man jemand gern "um die Ohren hauen". Ein durchtriebener Mensch hat es "faustdick hinter den Ohren". "Die Ohren spitzen" meint genau hinhören. Der Mutlose "lässt die Ohren hängen", das Gegenteil von "die Ohren steifhalten", während das "geneigte Ohr" oder "einem sein Ohr leihen" bedeutet, sich einer Sache anzunehmen. "Tauben Ohren singen" (später: predigen) findet sich schon beim römischen Dichter Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.). Der Ohrenbläser (Schmeichler, Einflüsterer), der um 1500 in Sebastian Brants "Narrenschiff" vorkommt, knüpft an die Vorstellung an, dass Worte, die man ins Ohr flüstert, direkt im Hirn landen. "Schlitzohr" meinte ursprünglich einen mit der Verstümmelungsstrafe belegten Betrüger, auch Dämonen wurden missgestaltet, schlitzohrig gedacht. 

Der Ohrring, besonders bei Männern, war nicht nur Schmuck, sondern sollte auch das Sehen verbessern. Dabei schien das Material wichtig, "Flinserl" waren aus Gold oder Silber. Amulettartig sollten Ohrringe vor dem "bösen Blick" schützen, solche aus Silber Zahnschmerzen vermeiden. Tiere erhalten Ohrmarken zur Kennzeichnung. Stofftiere der Firma Steiff tragen den "Knopf im Ohr".


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 610 f.
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin 1935/1987. Bd. 6/Sp. 1204 f.
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg/Br. 1992. Bd. 2/S. 1113 f.

Bild:
Modell mit Ohrschmuck, Postkarte um 1900. Gemeinfrei


Siehe auch:
Ohren in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015jetzt im Buch blättern