Eine Provinzstadt um 1900 #
Eine sehenswerte Ausstellung mit 120 Lichtbildern aus den Jahren 1880 bis 1920 zeigt ein provinzielles Graz auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
"Lichtbildervorträge waren um 1900 der große Hit – so wie das Internet heute“, erklärt Otto Hochreiter, Direktor des Stadtmuseums, die Bedeutung der rund 120 einst für den Schulgebrauch gedachten Diapositive. Diese einmalige Sammlung von Lichtbildern aus der Zeit von 1880 bis 1920 war im Stadtmuseum (Sackstraße 18) bis 28. Februar 2010 zu sehen – sowohl als Lichtbildervortrag als auch in kleinen Leuchtkästen samt Lupe, um Details studieren zu können. Und auch als Buch um 29,90 Euro.
Doch das Graz der Jahrhundertwende „schillert nicht wie Wien, Prag oder andere Städte der Donaumonarchie in allen Farben des glanzvollen Untergangs“, sagt Hochreiter. Es ist vielmehr „eine Provinzstadt, die bleiern, schwer und fern der Kunst“ erscheine. Kein Kafka, kein Karl Kraus, Hofmannsthal oder Schnitzler waren hier in Sicht, kein Klimt und Schiele. „Wir hatten einzig Peter Rosegger als überregionalen Dichter.“
„Die deutscheste Stadt“#
Graz war Provinzstadt und Pensionopolis. In einem aber war Graz eindeutig: im Selbstverständnis, die „deutscheste Stadt der Monarchie“ zu sein. Man wollte Graz als Bollwerk deutscher Kultur und „Wagner-Weihestätte“ beweisen. Als sichtbares Zeichen dafür ließ das nationale Bürgertum ein Rathaus und ein Stadttheater bauen – das Opernhaus, das folgerichtig mit Wagners „Lohengrin“ eröffnet wurde. Auch das Sängerbundfest des Deutschen Sängerbundes wurde 1902 entsprechend zelebriert. Aber darin hatte Graz, die spätere „Stadt der Volkserhebung“, ja schon Tradition. Nach der österreichischen Niederlage von Königgrätz (gegen Preußen) waren hier Bismarck-Feiern abgehalten worden und 1898 wurde der nach dem Abriss des Eisernen Tores entstandene Platz auch nach dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck benannt. „Graz stellte die kleine Welt einer Provinzstadt dar, in der die große ihre Probe abhält“, so Hochreiter.
Aus 1500 Lichtbildern wurden 120 für die Ausstellung ausgewählt. „Die subjektive Auswahl einer ohnehin subjektiven Auswahl von Wirklichkeiten “, nennt Historiker Gerhard Schwarz das sehenswerte Ergebnis.
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