Das Denkmal der Republik#
Zwischen dem Parlament und dem Sitz des Wiener Stadtschulrats errichtet, wurde das "Denkmal der Republik" am 12. November 1928 - genau zehn Jahre nach der Proklamation der "Republik Deutschösterreich" - enthüllt.Das dreistufige Steinpodest trägt drei Vierkantschriftsockel zwischen vierkantigen Pfeilern mit den Büsten von Jakob Reumann (1853-1925, Wiener Bürgermeister von 1919 bis 1923), Dr. Viktor Adler (1852-1918, zuletzt Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten) und Ferdinand Hanusch (1866-1923, Staatssekretär für Soziale Fürsorge von 1918 bis 1920). Darüber auf den drei Pfeilern befindet sich ein Inschriftenarchitrav.
Die Büsten wurden von drei verschiedenen Bildhauern - Franz Seifert, Anton Hanak und Mario Petrucci - nach einem Vorbild von Carl Wollek geschaffen.
Beachte: Der eigentliche Staatsgründungsakt der Ersten Republik war nicht das Gesetz vom 12. November oder die an diesem Tag erfolgte Ausrufung der Republik von der Wiener Parlamentsrampe, sondern der 30. Oktober 1918, an dem die Abgeordneten, die sich am 21. Oktober als "provisorische Nationalversammlung des deutsch-österrreichischen Staates" konstitutiert hatten, einen Staatsrat einrichteten, ein provisorisches Grundgesetz beschlossen, das Staatsgebiet definierten und dies vom Balkon des Niederöstereichsicehn Landhauses aus verkündeten.
Der 12. November war während der ganzen Ersten Republik höchst umstritten: Zwar war er am 25. April 1919 vom Nationalrat ohne Debatte einstimmig zum Staatsfeiertag erklärt worden, er wurde aber nie wirklich akzeptiert. Den Christlichsozialen war der revolutionäre Beigeschmack dieses Tages zuwider, die Sozialdemokraten sahen gerade darin ihr Verdienst und versuchten, die Republikgründung als einseitiges Werk der Wiener Sozialdemokratie darzustellen und die Rolle der anderen Parteien und der Bundesländer herunterzuspielen.
Das wird am Republikdenkmal, das 1928 von der Stadt Wien an prominenter Stelle gegenüber dem Parlament errichtet wurde, besonders deutlich: Es zeigt drei sozialdemokratische Politiker, Victor Adler, Jakob Reumann und Ferdinand Hanusch, die alle drei an den Ereignissen des 12. November nicht oder nur am Rande beteiligt waren. Am ehesten noch Victor Adler. Aber der war am 12. November schon tot. Auch Reumann und Hanusch hatten ihre Verdienste, aber ganz sicher nicht im Zusammenhang mit der Republikausrufung. Die tatsächlichen Handlungsführer, die drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung, der Christlichsoziale Johann Nepomuk Hauser, der Großdeutsche Franz Dinghofer und der Sozialdemokrat Karl Seitz, wurden völlig übergangen. Einer gemeinsamen Erinnerungskultur wurde solcherart weitgehend der Boden entzogen.
Die Sozialdemokraten verstanden sich zwar als Hüter der Republik, brachten aber immer wieder zum Ausdruck, dass es eine revolutionäre Republik sein müsse: Die „Arbeiter-Zeitung" titulierte den 12. November regelmäßig als „Gedenktag der Revolution". Dass die Republik nur eine Zwischenstufe sei, konnte man auf den Transparenten der Maiaufmärsche ablesen: „Republik, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel."
Die Christlichsozialen hingegen rückten vom 12. November immer mehr ab und inszenierten an seiner Stelle den 15. November als Tag des heiligen Leopold mit der traditionellen Männerwallfahrt nach Mariazell als mächtiger christlicher Gegendemonstration gegen marschierende Arbeiter.
Der Ausschaltung des Parlaments im Jahre 1933 fiel auch der Staatsfeiertag am 12. November zum Opfer. 1933 veranstaltete die Sozialdemokratie am 12. November noch einen „organisierten Spaziergang", bei dem 225 Personen verhaftet wurden, auch Karl Renner. Dann wurde das Republikdenkmal verhüllt und abgetragen. Am 27. April 1934 wurde der 12. November als Staatsfeiertag abgeschafft. Nach 1945 wurde das Republikdenkmal zwar wieder aufgestellt, der Republikfeiertag aber nicht wieder eingeführt. Karl Renner begründete es mit meteorologischen Umständen: mit der ungünstigen Wetterlage, die Mitte November in der Regel herrsche. 1965 wurde als neuer Nationalfeiertag der 26. Oktober beschlossen.(Roman Sandgruber in: "Die Presse" 8.11.2008)
Anlässlich des Verbots der Sozialdemokratie mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt, wurde das Republikdenkmal 1934 von der Stadtverwaltung abgetragen und bis 1948 in der Stadionhalle gelagert. Am 12. November 1948 - genau zwei Jahrzehnte nach seiner ersten Enthüllung - eine ganze Generation nach dem Entstehen der Republik Österreich - wurde das von Mario Petrucci restaurierte Denkmal wieder der Öffentlichkeit übergeben.
Das Monument hat durch seine einseitige Ausrichtung auf drei sozialdemokratische Politiker nie wirklich "staatstragende" Wirkung entfalten können. Statt für Anhänger aller politischen Richtungen die Gründung der Republik Österreich als Gemeinschaftswerk zu symbolisieren, stellt es eher einen parteipolitischen Usurpations- und Kraftakt seitens des "Roten Wien" dar. Als solcher hat es - wie erwähnt - Widerstand der ständestaatlichen Kommunalverwaltung ausgelöst.
Ein Sprengstoffanschlag am 30. April 1961 gegen die Rückseite des Denkmals blieb bis heute ungeklärt.
Dazu schreibt Petra Stuiber im "Standard" vom 30.4./1.5.2016:
Es regnete am Abend des 30. April 1961 in Wien - und das war gut so. Wäre es trocken geblieben, hätte die noch junge Republik womöglich Verletzte oder gar Todesopfer in der Wiener Innenstadt zu beklagen gehabt. Denn um 22.45 Uhr erschütterte eine Detonation den Schmerlingplatz zwischen Parlament und Palais Epstein an der Ringstraße. An der Rückseite des Republikdenkmals war ein Sprengsatz detoniert. Der Schaltkasten für die Scheinwerfer, die das Denkmal beleuchteten, flog in die Luft, Trümmer wurden bis zu 50 Meter weit weggeschleudert. Fensterscheiben und zwei Oberlichten im Parlament gingen zu Bruch. Mehr ist nicht passiert. Denn der traditionelle Fackelzug am Vorabend des 1. Mai, der genau am Denkmal vorbeiführt, war wegen des Regens abgesagt worden. Drei Tage später schwor Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) im Ministerrat empört, man werde „alles tun, der Täter habhaft zu werden". Mehr sagte Gorbach nicht. Den Verdacht sprach sein Vizekanzler, SPÖ-Chef Bruno Pittermann, aus: „Es wird mit den Anschlägen in Südtirol in Zusammenhang gebracht." Diese Verknüpfung ist 55 Jahre später noch immer nicht restlos bewiesen - aber, so meint der Historiker Thomas Riegler, der sich mit dieser Frühphase des Rechtsterrorismus beschäftigt: „Vieles spricht dafür.
Standort: Dr. Karl Renner Ring, Wien 1.,
Künstler: siehe oben
Redaktion: Peter Diem