Vordernberg - Kernstück der „Steirischen Eisenstraße" (Essay)#
Text und Bilder von
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
ISG Magazin Heft 3 / 2009 (Internationales Städteforum Graz)
Die Geschichte der Marktgemeinde Vordernberg in der Obersteiermark ist weitgehend durch die Verarbeitung des Eisenerzes vom Erzberg bestimmt. Schon die Römer ließen in der Region Eisen herstellen. 1453 wurde die Gemeinde Vordernberg bereits zum Markt erhoben. Eine wahre Blütezeit erlebte die Gemeinde zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert, also zur Zeit des Barock und danach. Aus dieser Zeit stammt auch in weiten Teilen der heutige Markt.
Die "Eisenstraße" ist seit Jahrzehnten zu einem Begriff für die reichen Zeugnisse der Eisenverhüttung von der Römerzeit bis heute geworden. Vordernberg spielt entlang dieser Straße eine besondere Rolle. Wurde noch zur Zeit der Römer die Windenergie für die Eisenverhüttung nahe der Passstelle zwischen Eisenerz und Vordernberg genutzt, um hohe Temperaturen in den Öfen zu erzielen, so verwendete man später die Wasserkraft, um künstlich Sauerstoff in den Verbrennungsvorgang zu blasen.
Die römischen Windöfen auf der Feisterwiese sind leider längst unter mächtigen Abraumschichten des Erzberges begraben. Sie wurden aber noch vorher durch Archäologen untersucht und dokumentiert. Die Zeugnisse der späteren Eisenverhüttung finden sich hingegen vor allem in Vordernberg entlang des Vordernberger Baches. Die Verhüttung und das Siedlungs gebiet der Gemeinde waren immer miteinander gekoppelt und hingen unmittelbar mit dem Bedarf an Wasserkraft zu¬sammen. So wanderte auch der Siedlungskern im Vordernberger Tal langsam bachabwärts.
Romanik und Gotik#
Unweit der Passstelle, südlich des Präbichls, finden sich im Untergrund des Talraumes immer noch die Reste der romanischen und vorromanischen Arbeiterhäuser, was punktuelle Grabungen belegen. Die gotische Ortschaft war bereits weiter talabwärts angelegt. Von ihr zeugen noch die Kirche des Hl. Laurentius mit ihrem Tabor und die Laurentiröst, ein breit angelegtes Bauwerk, in dem das Erz vom nahen Erzberg vorbehandelt - „geröstet" - wurde. In der Barockzeit wanderte das Zentrum der Eisenverhüttung und -Verarbeitung weiter in den heutigen Markt. Hier wurde in insgesamt 14 Radwerken Eisen verhüttet. Das starke soziale Engagement von Erzherzog Johann führte im 19. Jh. zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der in der Erzverarbeitung und in der Köhlerei Beschäftigten. 1840 gründete Peter Tunner außerdem hier die Steiermärkisch-Ständische Berg- und Hüttenmännische Lehranstalt, den Vorläufer der heutigen Montanuniversität im 16 km südlich gelegenen Leoben. Es dürfte sich damals in Vordernberg um die weltweit erste derartige Ausbildungsstätte gehandelt haben.
Der größte Holzkohlehochofen der Welt#
Die Errichtung einer Zahnradbahn mit Normspurweite brachte im 19. Jh. eine enorme Arbeitserleichterung beim Transport des Erzes. Nun konnte das Erz auf kurzem Weg über den Pass vom Erzberg im Norden zu den Verhüttungsorten im Süden gebracht werden. Zugleich wurde aber der Bedarf an Wasserkraft für die gewaltigen Blasebälge der Hochöfen noch größer, und der weltweit größte Holzkohlehochofen wurde schon nicht mehr in Vordernberg, sondern im 8 km südlich gelegenen Trofaiach unterhalb der Einmündung des Gössbaches in den Vordernberger Bach errichtet. Leider steht von ihm heute nur noch das Fundament. Das heutige Donawitz liegt noch näher bei Leoben.
Das Besondere an Vordernberg ist die Dichte an erhalten gebliebenen Zeugnissen der Eisenverhüttung. Der an Technikgeschichte sehr interessierte Bürgermeister Hofer von Trofaiach - er hatte schon als Jugendlicher bei den Grabungen der Windöfen auf der Feisterwiese unter den Archäologen W. Schuster und W. Schmid mitgearbeitet - setzte sich mit großem Engagement für die Erhaltung des noch vollständig vorhandenen Radwerks IV und der Lehrfrischhütte in Vordernberg ein.
Radwerk IV#
Radwerke nannte man Hochofenanlagen, bei denen ein Wasserrad das Gebläse für Verbrennungsluft antrieb. In Vordernberg befanden sich entlang des Baches 14 Radwerke. Das Hochofenmuseum Radwerk IV ist eine der bedeutendsten eisengeschichtlichen Sehenswürdigkeiten entlang der Eisenstraße zwischen Leoben und Steyr. 1846 an Stelle einer alten Anlage in einem monumentalen, klassizistischen Stil errichtet, stellte man das Radwerk IV nach der Betriebsstillegung im Jahr 1911 schon 1928 unter Denkmalschutz. Nach Instandsetzungsarbeiten wurde dieser Schatz des Industriezeitalters ab 1959 als Hochofen- und Eisenmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In diesem europaweit einzigartigen, vollausgestatteten Holzkohlehochofen kann man den gesamten Roheisengewinnungsprozess heute noch anschaulich erklärt bekommen. Zu besichtigen sind die großen, viergeschossigen Innenräume, die sich um den gewaltigen 8 Meter hohen Ofenstock gruppieren, verschiedene Gerätschaften sowie Erz- und Holzkohlefördereinrichtungen; einige davon können noch vorgeführt werden, so etwa der ehemalige Holzkohleaufzug, das große Gebläsewasserrad und die kleine Hochofenschmiede. Die weit über Österreich hinausgehende Bedeutung des Radwerks IV kommt auch in seiner Auszeichnung als "Historisches Wahr¬zeichen" durch ASM International (American Society for Materials) zum Ausdruck.
Erhaltung vieler historischer Bauten#
Es gab auch andere, wie Gerhard Sperl, die aktiv an der Erhaltung der gefährdeten Industriemonumente mitwirkten. Es wurden von ihren Radwerken entkleidete Hochöfentürme, mehrere prächtige Gewerkenhäuser, das Kastenhaus, ein Speicher aus dem 16. Jh. und viele andere historische Gebäude in der Gemeinde erhalten und gepflegt. So ist gerade in Vordernberg heute für industriegeschichtlich Interes-sierte unglaublich viel zu sehen - ein Besuch lohnt sich!
Univ.-Doz. DI Dr. Hasso Hohmann, Studium der Architektur und der Völkerkunde, bis Februar 2009 Geschäftsführer des INTERNATIONALEN STÄDTEFORUMS GRAZ und von EUROPA NOSTRA AUSTRIA, Vorlesungen an der TU Graz über islamische und altamerikanische Baukunstgeschichte, Stadt- und Ortsbildsachverständiger.
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