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Vom Sud zum Hut#

Das Start-up "Hut und Stiel" im 20. Bezirk züchtet mithilfe von Kaffeeabfall edle Speisepilze.#


Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 1. März 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Pia Feiel


Aus den Säcken, in denen sie Florian Hofer (r.) und sein Kompagnon Manuel Bornbaum züchten, wachsen edle Austernpilze
Aus den Säcken, in denen sie Florian Hofer (r.) und sein Kompagnon Manuel Bornbaum züchten, wachsen edle Austernpilze.
Foto: © KHP Hut & Stiel, Pia Feiel

Wien. Wien ist weltbekannt für seine Kaffeehäuser. So bekannt, dass täglich 44 Tonnen Kaffeesud anfallen. Doch diese braune Masse muss nicht in den Mistkübel wandern, sondern kann wiederverwendet werden. Zum Beispiel als Nährboden für edle Speisepilze. Die beiden Jungunternehmer Florian Hofer und Manuel Bornbaum sind vor fast zwei Jahren mit ihrem Start-up "Hut und Stiel" (http://www.hutundstiel.at) in die Pilzzucht eingestiegen und ziehen auf dem scheinbar nutzlosen Abfall von Pensionistenheimen und Hotels Austernpilze heran.

"Wir wollen ressourcenschonende Wege gehen, ein gutes und gesundes Nahrungsmittel herstellen und zeigen, dass Abfall weit mehr ist als Müll", heißt es dazu auf ihrer Homepage. Um diesen Idealen gerecht zu werden, findet die Produktion auch direkt in Wien statt: in einem Altbau in der Innstraße 5 im 20. Bezirk. So können die Transportwege vom Betrieb zu den Abnehmern gering gehalten und größtenteils per Lastenrad zurückgelegt werden.

Auch der Kaffeesud selbst wird mit dem Fahrrad abgeholt. Dabei handelt es sich ausschließlich um Bio-Kaffee, der nicht mit Pestiziden behandelt und dadurch frei von Schadstoffen ist. Auf welcher Kaffeesorte der Pilz herangewachsen ist, schmeckt man im fertigen Produkt allerdings nicht mehr: "Der Sud liefert nur die Zellulose", so Bornbaum.

Abfallverwertung im "Schwammerl-Kreislauf"#

Das erste Mal in Kontakt mit dem Thema Pilzzucht auf Kaffeesud kam Co-Gründer Florian Hofer bei einem Seminar im Zuge seines Studiums an der TU Wien. Gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Manuel Bornbaum hob er dann im Mai 2015 das Unternehmen "Hut und Stiel" aus der Taufe. "Er war sofort begeistert," erinnert sich Hofer an die Reaktion seines Freundes.

In einem Verfahren, das die beiden "Schwammerl-Kreislauf" getauft haben, reifen in Plastiksäcken verzehrfertige Austernpilze heran. Dabei wird der ausgedrückte Kaffeesud mit Kalk und Kaffeehäutchen - einem Abfallprodukt der Rösterei - gemischt und mit Pilzmyzel geimpft. In Plastiksäcke gefüllt kommt dieses Pilzsubstrat dann in den Inkubationsraum. Vier bis fünf Wochen hängt es dort bei etwa 25 Grad und Dunkelheit von der Decke. In dieser Zeit wächst das eingeimpfte Myzel am Substrat fest und durchzieht den Nährboden mit feinen Fäden.

War diese Anwachsphase erfolgreich, siedeln die Plastiksäcke in den Fruchtungsraum um, damit sich in weiterer Folge die Fruchtkörper ausbilden können. Bei herbstlich schwülen Temperaturen knapp unter 20 Grad wachsen aus Einschnitten in den Plastiksäcken die fertigen Austernpilze. Insgesamt drei Ernten können innerhalb von sechs Wochen aus einem Sack vorgezogenen Pilzmyzels gewonnen werden. Danach wird das Substrat kompostiert und als Erde weiterverwendet: Der "Schwammerl-Kreislauf" schließt sich.

Rund 250 Kilogramm Austernpilze produziert "Hut und Stiel" auf diese Weise im Monat. Nur von den Pilzen allein könnten die beiden Jungunternehmer derzeit allerdings noch nicht leben. Darum und auch um das gewonnene Wissen an Interessierte weiterzugeben, bietet "Hut und Stiel" Pilzzucht-Workshops an: Praxisanleitung und Substratsack zur Zucht von Austernpilzen auf dem eigenen Kaffeesud inklusive.

Eigenbau-Speisepilze bald auch bei Merkur#

Der Großteil der Produktion geht momentan an kooperierende Restaurants, der Rest zu etwa gleichen Teilen an private Abnehmer und in verarbeitete Produkte. Pilz-Sugo, -Pesto und Co werden in Zusammenarbeit mit einem vegetarischen Feinkostladen nur einige hundert Meter weiter ebenfalls in Wien-Brigittenau gefertigt. Derzeit können sie zwar nur im eigenen "Haus- und Hofladen", direkt bei der Produktion sowie in ausgewählten Greißlereien erstanden werden, aber das soll sich bald ändern: Die Expansion in einen Wiener Gourmet-Supermarkt ist absehbar. "Noch dieses Jahr werden wir auch im Merkur am Hohen Markt zu finden sein", erzählt Bornbaum. Auch eine Erweiterung des momentan noch recht überschaubaren Sortiments ist möglich: "Wir können uns gut vorstellen, dass es künftig mehr verarbeitete Pilzprodukte zu kaufen geben wird."

Mit dem Standort in der Inn-straße stoßen die beiden Jungunternehmer bald an ihre Kapazitätsgrenzen. Deshalb ist eine Ausweitung der Produktion um einen weiteren Standort in Planung. Doch einen passenden Raum für die zweite Pilzfarm zu finden erweist sich als schwierig: "Wir haben in den vergangenen beiden Jahren viel dazugelernt und deshalb auch höhere Anforderungen an den neuen Standort." So sollte dieser mindestens 500 Quadratmeter umfassen und im Kellergeschoß liegen, denn dann sind die Energiekosten für die Zucht geringer. Außerdem ist eine Lüftungsanlage unerlässlich. Im Idealfall hat der neue Standort abgeschlossene Räume, damit die Zucht unterschiedlicher Pilzarten möglich ist. Wegen der starken Sporenproduktion vieler anderer Sorten beschränkt sich das Start-up derzeit auf Austernpilze.

Umweltschonende Expansion#

Auch ein zweites Problem ist nicht von der Hand zu weisen: Der Produktionsstandort Wien ist teuer. Nach Möglichkeit möchte man aber trotzdem in der Stadt bleiben, denn nur so können die Nähe zu den Kunden und damit höchste Qualität und Frische sowie ein möglichst umweltfreundlicher Transport gewährleistet werden. "Wenn der neue Standort nicht zu weit ab vom Schuss ist, möchten wir die Auslieferung mit dem Lastenrad schon gerne beibehalten", meint Bornbaum. Erste öffentliche Anerkennung hat die Pilzzucht im 20. Bezirk diesen Jänner erhalten: Beim Start-up-Wettbewerb "greenstart" des Klima- und Energiefonds in Kooperation mit dem Umweltministerium wurde "Hut und Stiel" unter die besten drei klimaschonenden Jungunternehmen gewählt und bekam 15.000 Euro Preisgeld.

Mit einem Teil davon wird momentan ein Labor eingerichtet, um das zur Anzucht notwendige Myzel künftig selbst herstellen zu können. Derzeit wird dieses noch von einer ungarischen Firma zugekauft. Was die Zukunft der Wiener Pilzkultur betrifft, sind die Gründer allerdings offen: "Die vergangenen zwei Jahre haben uns gezeigt: Planung ist gut, aber die Realität ist ganz anders", meint Bornbaum. Fest steht jedenfalls: "Es gibt noch viel Luft nach oben."

Wiener Zeitung, Mittwoch, 1. März 2017


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