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Die Universität Wien vor dem Buchdruck#

Am 12. März ist die Universität Wien 650 Jahre alt. Die Nationalbibliothek zeigt Gründungsdokumente und Niederschriften.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 6. März 2015) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Eva Stanzl


Darstellung der Studienfächer Musik, Arithmetik und Geometrie aus dem 15. Jahrhundert
Darstellung der Studienfächer Musik, Arithmetik und Geometrie aus dem 15. Jahrhundert.
Foto: © ÖNB

Wien. Die etwa einen Quadratmeter große und mit drei fein gearbeiteten Siegeln ausgestattete Urkunde ist weitaus mehr als nur Willensbekundung eines kühnen Kopfes: Sie ist zugleich Programm, Botschaft und Vermächtnis von Herzog Rudolf IV. (1339-1365). Er gründe die Universität Wien, lässt er verlauten, damit "ein yeglich weiser mensch (...) in rechte erkantnüsse mit goetlicher lerung bracht und geczogen werde".

Rudolf war der erste Habsburger-Herzog, der in Österreich geboren wurde. Er betrachtete Wien als seine Heimat und wollte deren Bedeutung heben. In Konkurrenz zur Karls-Universität in Prag, die erste im damaligen deutschen Sprachraum, gründete er eine Hochschule in Wien. Gleich zwei Mal besiegelte er am 12. März 1365 die Gründung - unüblich für damals nicht nur in Latein, sondern auch in deutscher Sprache, um die breitestmögliche Resonanz zu erlangen. Am kommenden Donnerstag feiert die Alma Mater Rudolphina ihr 650-jähriges Bestehen. Mit 100 Exponaten aus eigenen und universitären Beständen würdigt die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) das Jubiläum mit der Ausstellung "Wien 1365" ab heute, Freitag. Die Schau ist bis 5. Mai im Prunksaal der ÖNB zu sehen.

Grundlagen des Wissens#

"Unser erstes nachweisbares Buch stammt aus 1668, Nationalbibliothek und Universität gehören zu den ältesten Kulturinstitutionen unseres Landes", erklärte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger am Donnerstag vor Journalisten. "Bei ihrer Gründung hatte die Universität Charakteristika, die heute noch gelten", betonte Rektor Heinz Engl und zog erstaunliche Parallelen: "Heute legen wir Wert darauf, dass unsere Studierenden mindestens ein Auslandssemester absolvieren. Doch schon im Mittelalter war die Uni Wien eine internationale Institution. Die ersten Gelehrten kamen von den Universitäten Paris und Oxford. Studierende kamen aus ganz Europa nach Wien, um von ihnen zu lernen, und zogen danach weiter an andere Universitäten." Im 14. Jahrhundert war Wien mit 5000 Studenten die größte deutschsprachige Universität. Heute ist sie das auch - allerdings mit 92.000 Studierenden. Schon die Gründer strebten eine Verbindung von Forschung und Lehre an. Die Inhalte darf man sich jedoch gänzlich anders vorstellen. Zu den ersten Studienfächern zählten Mathematik, Geometrie und Astronomie. Die Exponate öffnen die Augen für mittelalterliche Erkenntnisfindung. Ein "Sonnen-Quadrant", der dem Astronomen und Mathematiker Johann von Gmunden zugeschrieben wird, ist mit dem Tier- und Jahreskreis, den 28 Mondtagen und der Scheibe des Mondalters versehen. Daneben liegt eine Illustration zur Verwendung des Quadranten, der auch zur Zeitmessung eingesetzt wurde. "Menschen kamen aus ganz Europa, um die Zeit zu berechnen", erklärt Ko-Kuratorin Heidrun Rosenberg am Rande der Pressekonferenz, und zeigt auf eine Tabelle, mit der sich alle Mond- und Sonnenstände sowie Tag- und Nachtgleichen von 1475 bis 1530 berechnen ließen.

Porträt Rudolfs IV.
Porträt Rudolfs IV.
© ÖNB

Auch wurden Astronomie und Astrologie von einem Teil der Gelehrten als synonym betrachtet. "Manche Mediziner ermittelten anhand von Horoskopen, wann sie einen Patienten behandeln durften" , so Rosenberg. In der Vitrine neben ihr liegt eine Naturenzyklopädie mit Sternbilddarstellungen aus 1440 und eine Vitrine weiter eine Einführung in die Astronomie nach geozentrischem Modell. "Damaligen Gelehrten ging es weniger um Studienabschlüsse als um den Erwerb der Grundlagen des Wissens."

Auch die Vorlesungen fanden andere Wege zu Papier als heute. "Die Studienliteratur bestand in der Regel aus zu Büchern gebundenen Gebrauchshandschriften. Vorlesungen wurden in großer Eile niedergeschrieben", eröffnet Ko-Kurator Andreas Fingernagel. Auch Lese- und Gebrauchsspuren finden sich in den Niederschriften. Gelegenheitszeichnungen der Damenwelt komplett mit engen Gürteln stehen personifizierten Karikaturen des Faches Grammatik als ältere Frau mit Peitsche gegenüber - "was zeigt, was die Studenten offenbar schon damals mehr interessierte", führt Fingernagel aus. Darstellungen medizinischer Behandlungen seien vermutlich von Gelehrten im Zuge von Studienaufenthalten ausgeführt worden. Erst der Buchdruck brachte "einen markanten Einschnitt": Plötzlich waren einheitliche und, wie Fingernagel meint, "verlässliche" Vorlesungsschriften vorhanden.

An Bedeutung für die Kunstgeschichte kaum zu überschätzen, ist das im Besitz des Dommuseums stehende Porträt Rudolfs. Es gilt als erstes Halb-Frontalporträt des Abendlandes und entstand um 1360. "Zuvor wurde im Profil porträtiert und oft erst nach dem Tod", so Rosenberg: "Rudolf hat dem Mund leicht geöffnet, der Blick nimmt sich zurück, er tritt in einen Dialog."

Einen Wendepunkt markiert die Erweiterung der Universität durch Rudolfs Bruder und Nachfolger Albrecht III. In einer Pergamenturkunde mit 19 Siegeln dokumentierte Albrecht 1384 die Schaffung eines Kollegiums für 12 Magister, die sich ihre eigenen Statuten schreiben sollten, in eigenen Gebäuden im Stubenviertel in der heutigen Wiener Innenstadt. In der Aktion "Goldener#" kennzeichnen Wiener Studentinnen am Freitag Orte, die in dieser Zeit universitär genutzt wurden, und die auch auf Twitter unter #wien1365 zu finden sind.

Wiener Zeitung, Freitag, 6. März 2015


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