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Die Stammfrauen Jesu – eine hl. Familie?#


Von

Martha Heizer

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 284/2019


Der Stammbaum Jesu, der uns jedes Jahr zu Weihnachten vorgelesen wird, enthält eine Liste von Männern, die bei Abraham beginnt und bei Josef endet. Es werden naturgemäß fast ausschließlich Männer genannt, aber Matthäus erwähnt auch vier Frauen, und diese Frauen haben es in sich! Es sind Tamar, Rahab, Rut und Batseba (der Name der Letzteren wird allerdings bei Matthäus[1] gar nicht erwähnt, sie wird nur "Frau des Urija" genannt[2]).

Alle vier Frauen haben mehreres gemeinsam: Sie sind Ausländerinnen und haben etwas Anrüchiges getan, was am äußersten Rand der damaligen Moralvorstellungen oder sogar jenseits davon lag. Warum erwähnt Matthäus sie und nicht die hochverehrten Patriarchenfrauen wie Sara, Rebekka oder Rahel?

Zuerst einmal: Die erwähnten Frauen sind Ausländerinnen. Tamar ist eine Kanaanäerin, Rahab eine fremde Hure. Rut ist Moabiterin und Batseba die Frau eines Hethiters. Will Matthäus damit die Bedeutung Jesu für alle Menschen, gleich welcher Herkunft und welcher Zugehörigkeit, betonen? Und will er damit vielleicht die Bedeutung der AußenseiterInnen für den Fortgang der Geschichte Gottes mit den Menschen unterstreichen?

Ein zweiter wichtiger Punkt: Alle vier Frauen befinden sich außerhalb der damaligen Familienstruktur. Tamar und Rut sind kinderlose junge Witwen (später ist Tamar dann von ihrem Schwiegervater schwanger (!) und Rut schleicht sich zu einem Mann ins Bett in der Hoffnung, dann von ihm geheiratet zu werden). Rahab ist eine Prostituierte und Batseba eine Ehebrecherin und später eine Witwe, die ein Kind von ihrem Liebhaber erwartet.

Alle vier riskieren durch ihr Verhalten die Zerstörung der sozialen Ordnung und damit ihre eigene Verdammung. Aber sie haben Glück. Die betroffenen Männer erkennen ihre eigene Schuld an (Tamars Schwiegervater Juda gesteht: "Sie ist mir gegenüber im Recht!" und bei Batseba wird die Anschuldigung gleich auf König David gerichtet) und sie übernehmen Verantwortung für die Frauen, stellen sie unter ihren patriarchalen Schutz und verschaffen ihnen Identität und Zukunft.

Vielleicht hatte Matthäus mit der Erwähnung gerade dieser vier Frauen die Absicht, auf eine weitere Geschichte einer Frau vorzubereiten, die auch auf irgendeine Weise nicht in ihre soziale Umgebung passt. Es zeigt, dass es Gott nicht um eine geregelte, bürgerliche Herkunft für seinen Sohn ging. Wenn Gott Mensch wird, wird er in menschliche Umstände hineingeboren, und dazu gehört immer das Unvollständige und Ungenügende, aber auch das Ungewöhnliche.

Und schließlich darf man nicht vergessen, dass die Himmelskönigin, die auf den Altären verehrt wird, eben jene arme Maria aus Nazareth ist, eine völlig unbedeutende Frau aus dem Volk. Sie macht klar, dass Gott eine ganz besondere Vorliebe für die Erniedrigten, die Kleinen und Unterdrückten hat. Die Armen und Machtlosen auf

dieser Erde werden im Himmel zu Königen und Königinnen. Auch die AußenseiterInnen, die AusländerInnen, die unehelichen Mütter, jene Frauen, die aus dem Rahmen fallen, werden – wenn sie sich auf Gott einlassen – zum Tempel Gottes.

ZUM NACHLESEN:

  • Tamar : Genesis 38
  • Rahab : Josua 2 und 6, 22-25
  • Rut : Buch Rut
  • Batseba : 2 Samuel 11 und 12, 1 – 25
  • Stammbaum Jesu bei Matthäus : Mt 1, 1-17

Dr. Martha Heizer ist Religionspädagogin i.R. und Vorsitzende der „Plattform Wir sind Kirche – Österreich“

Fußnoten#

[1] Mt. 1, 6.
[2] Auch wenn Matthäus ihren Namen nicht erwähnt, weiß man doch aus dem Alten Testament, nämlich 2 Sam 11 und 1 Kön 1 und 2, dass die Frau des Urija mit Namen Batseba hieß.