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Die Kunst, einen Park anzulegen#

Vor 150 Jahren starb der bedeutende Gartenkünstler Peter Joseph Lenné. Seine schönsten Anlagen sind in Berlin und Umgebung zu bewundern, aber auch in Österreich lassen sich Spuren seiner Arbeit finden.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 28. Mai 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Christian Hlavac


Peter Joseph Lenné, um 1850 gemalt von Carl Begas d. J.
Peter Joseph Lenné, um 1850 gemalt von Carl Begas d. J.
© Wikimedia Commons

Heinz Ohff, der deutsche Kunstkritiker und Feuilletonchef des Berliner "Tagesspiegel", prägte mit seiner 1981 erschienenen Biographie über den "vielseitigen und hochangesehenen" Gartengestalter Peter Joseph Lenné unser Bild vom "einfachen Gärtner, der zum Generaldirektor der königlich preußischen Gärten" aufstieg. Im Dezember 2015 revidierte nun der Gartenhistoriker Clemens Alexander Wimmer mit seiner wegweisenden neuen Biographie dieses zuckerlrosafarbene Bild von Lenné, dessen Gartenanlagen heute Publikumsmagneten sind.

Aber muss uns der 1789 geborene und 1866 gestorbene Lenné in Österreich interessieren? Ja. Sonst würde sich nicht dieser Tage ein Symposium in Baden bei Wien dem deutschen Gartenkünstler und dessen Einfluss auf Österreich widmen. Anlass ist das 150. Todesjahr des gebürtigen Rheinländers. In Österreich dürfte sein Name nur Fachleuten geläufig sein, Besucher von Gärten und Parks in Berlin und Brandenburg stoßen hingegen bei fast jedem Schritt auf "seine" Anlagen, die zum großen Teil zum UNESCO-Welterbe gehören. In Österreich sind seine Spuren nicht so augenfällig und zahlreich wie in Deutschland.

Die Gärtnerfamilie Lenné kann bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Österreich nachgewiesen werden: Es existiert ein Dienstzeugnis aus dem Jahr 1737 über den in Bonn geborenen Großvater von Peter Joseph, Johann Cunibert Lenné (1714-1787), welches er nach seiner knapp zweijährigen Dienstzeit als "Obergeselle im Hofgarten der kaiserlichen Residenzstadt Wien" erhielt.

Lenné in Laxenburg#

Nicht nur Peter Joseph Lennés Großvater, sondern auch sein Vater Joseph (1756-1821) hielt sich zu Weiterbildungszwecken in Wien auf. Er knüpfte dort 1773 wichtige berufliche Kontakte, die seinem Sohn Peter Joseph später nützlich werden sollten. Clemens Alexander Wimmer hält in seiner Biographie fest, dass bei Peter Joseph Lennés Lehrzeit von 1805 bis 1808 Unklarheiten und Widersprüche bestehen. Auch zu seinen anschließenden Reisen nach Süddeutschland, in die Schweiz und nach Italien gibt es mehr offene Fragen als Antworten, denn viele Informationen stammen nur von Lenné selbst. Erstaunlich ist, dass fast alle Biographen Lennés Autobiographie unkritisch übernahmen, die er 1853 in dritter Person anlässlich seiner Aufnahme als Ehrenmitglied in die preußische Akademie der Künste verfasste.

Unstrittig ist Lennés Aufenthalt in jungen Jahren in Österreich. Sichtbares Zeichen dafür ist der lange verloren geglaubte, im Oktober 2000 wieder aufgetauchte Laxenburg-Entwurfsplan aus 1815. Dieser ist der älteste bekannte, von Lenné eigenhändig entworfene und gezeichnete Plan. Er versuchte, die Gestalt und die Laubfarbe der jeweiligen Baumarten in dem zur Präsentation bestimmten Plan zum Ausdruck zu bringen. Bei seiner Planung "sprengte" Lenné die optischen Grenzen des Parks und bezog die Umgebung mittels Sichtachsen in den Park mit ein.

Neben der Signatur hat sich auch eine Notiz vom 10. Februar 1815 erhalten, die eine Tätigkeit Lennés als Planzeichner in Laxenburg bestätigt. So wurde der "Gärtner Lenné" mit September 1814 für "5 bis 6 Monathe" aufgenommen, um für die Laxenburger Gartenverwaltung Pläne zu zeichnen. "Da nun mit Ende Februar d. J. die 6 Monathe verflossen, zur vollständigen Herstellung der angefangenen Garten Aufnahme und sonstigen Zeichnungen aber noch weitere 6 Monathe erforderlich sind, so erbittet man sich die hohe Erlaubniß den vorbenannten Gärtner Lenné zu diesem Ende noch ferner beibehalten (. . .) zu dürfen."

Die Anstellung wurde vom 1. März 1815 beginnend für weitere sechs Monate verlängert, wobei Lenné aus unbekannten Gründen Laxenburg vor Ablauf seines Vertrages verließ. Jedenfalls erhielt er keine feste Anstellung bei Hof, wobei offen bleiben muss, ob er diese tatsächlich anstrebte. Was blieb von Lennés Tätigkeit in Laxenburg? Wenige seiner Ideen wurden aufgegriffen, wie die vorgeschlagenen Uferlinien des großen Teiches gegen Achau, die Umgestaltung der barocken Achsen sowie seine Vorschläge für größere Wasserflächen und große Wiesenräume.

Lenné selbst erwähnt stolz in seiner Autobiographie, dass er bereits bei der Beauftragung des Planes für Laxenburg den Titel eines "kaiserlichen Garten-Inge- nieurs" erhielt. Unkritisch übernahmen bisher alle Biographen und Fachleute - auch der Autor dieser Zeilen - diese Angabe.

Ehrgeiz und Eitelkeit#

Die Crux an dieser Behauptung Lennés: diesen Titel gab es nie in der Hofhierachie. Dieses Beispiel zeigt wie viele andere auch, dass Peter Joseph die Ratschläge seines Vaters befolgte: sei ein guter "Schauspieler" auf beruflicher und gesellschaftlicher Ebene, verfolge deinen Vorteil und achte auf ein gutes Einkommen. Deutlich tritt durch die vorhandenen Quellen die Förderung bzw. Protektion Lennés durch den Vater und ein hohes Maß an Ehrgeiz, Anmaßung und Selbstgefälligkeit zu Tage. Unter anderem zeigt uns die mehrfach nachweisbare Schmückung mit irreführenden, gut klingenden Titeln Lennés Streben nach Anerkennung.

Neben fehlenden Akten und Plänen wird die Forschung zu Lennés geistig-planerischen Tätigkeiten, wie seinen Gestaltungsentwürfen, auch dadurch erschwert, dass er in seiner zweiten Lebenshälfte die Mitwirkung anderer an seinen Planungen in zahlreichen Fällen verschwieg. Und so werden ihm noch immer zahlreiche Gartenschöpfungen zugeschrieben, in der Regel ohne fachlich stichhaltige Beweise vorzulegen. Die berühmtesten Anlagen in Potsdam und Berlin lassen jedoch keinen Zweifel an seiner Urheberschaft. Im Einzelfall ist es meist mühsam und aufwendig, für jede Anlage seinen Anteil an der konkreten Gestaltung zu bestimmen. Die zahlreichen mitteleuropäischen Gartenanlagen Lennés und seiner Mitarbeiter, darunter Gustav Meyer, zeigen aber, dass Lenné und sein Umfeld über Jahrzehnte die Kunst, Gärten und Parks anzulegen, prägten. Schließlich gingen deren Gestaltungsansätze als sogenannte "Lenné-Meyer-Schule" in die Kunstgeschichte ein.

Pläne für Ischl#

Es dauerte fast 40 Jahre, bis Lenné nachweislich wieder österreichischen Boden betrat: Ein "Comité für Verschönerungen des Badeortes Ischl" hatte sich spätestens im Juni 1852 Gedanken über die Umwandlung der im Staatsbesitz befindlichen Kaltenbachau in eine Parkanlage gemacht. Demnach hätte die Au in "einen überaus reizenden Belustigungsort für Fahrende, Reiter und Spaziergänger" verwandelt werden sollen.

Durch den deutschen Architekten Franz Kreuter kam es zum Kontakt zwischen dem Ischler Comité und Lenné, der seit 1828 preußischer Gartendirektor war. Dieser überließ dem Comité einen Plan und eine handschriftliche "Pflanzliste". Lenné sah laut Comité "ebene Spaziergänge und Reitwege für Pferdeliebhaber" vor. Manche Arbeiten wurden im Juli 1853 begonnen, jedoch reichten die gesammelten Spenden nicht für weitere Arbeiten im Gelände. Somit verlief die ganze Angelegenheit im Sand.

Der Originalplan Lennés (vermutlich von seinem Mitarbeiter Meyer gezeichnet) ist verschollen; es hat sich nur ein Schwarz-Weiß-Foto vom Plan erhalten. Dass Lenné den Plan nicht nur am Schreibtisch im weit entfernten Wohn- und Arbeitsort Potsdam entwarf, sondern tatsächlich das Gelände besichtigte, ist durch einen Eintrag in die Ischler Fremdenliste vom September 1852 nachgewiesen.

Der letzte Nachweis einer Tätigkeit Lennés in Österreich hängt mit der Schleifung der Befestigungswerke in Wien und der Vereinigung der dichtverbauten Stadt mit deren Vorstädten zusammen. Offiziell startete diese städtebauliche Verbindung im April 1857 mit der Beauftragung der Ministerkonferenz durch Kaiser Franz Joseph, grundlegende Vorschläge für eine Stadterweiterung zu unterbreiten. Aufbauend auf ein kaiserliches Handschreiben vom 20. Dezember 1857 wurde ein Wettbewerb für einen Stadterweiterungsplan ausgeschrieben, an dem auch zahlreiche Ausländer teilnahmen. Eine der prämierten Einreichungen, die mit einer offiziellen gebührenden Anerkennung, aber keinem Preisgeld verbunden waren, stammte vom preußischen Gartendirektor Lenné, der seit 1839 immer wieder in die Berliner Stadtplanung einbezogen wurde. Bepflanztes Wien

Lennés planerischer Ansatz für Wien hob sich von allen anderen Einreichungen deutlich ab. Er sah keinen einheitlichen Boulevard vor, wie er in der heutigen Ringstraße verwirklicht ist. Sein Entwurf war der einzige, welcher der Gartengestaltung das Primat der Planung zusprach. Dementsprechend sah er eine vollständige "grüne" Ummantelung der Altstadt vor. 37 Prozent der Fläche waren für Promenaden, Gärten, Parks und Pleasuregrounds vorgesehen.

Mit diesem Grünflächenanteil lag Lenné im Vergleich deutlich über den Werten aller anderen Wettbewerbsentwürfe. Er vertrat, wie die Jury hervorhob, "eine vom Programm gänzlich abweichende Anschauung" und beschränkte sich nur "auf den Raum der jetzigen Glacis-Gründe und jene durch Auflassung der Wälle und Gräben gewonnene Area".

Der Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger als Jurymitglied veröffentlichte seine Einschätzung über das "Projekt des Direktors Lenné in Berlin" in der "Wiener Zeitung" vom 23. Juni 1859: "Die Art und Weise, wie die Gartenanlagen und Promenaden sich organisch mit den Bauanlagen verbinden, wie dieselben in ihren Linien sich entwickeln und auflösen, ist eben so geistreich als originell."

Trotzdem sei das Projekt aber "ganz unausführbar", weil der "Boulevard und die Esplanadestraße in Wien große Verkehrsstraßen" sein müssen. Die Windungen und die Gartenanlagen würden laut Eitelberger den Verkehr hemmen und die "Lebend- und Pulsadern desselben durchschneiden". Somit war das Projekt von Lenné zum Scheitern verurteilt. Es sollte seine letzte derzeit nachweisbare Planung für Österreich sein.

Information#

  • Clemens Alexander Wimmer: Der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné.Eine Karriere am preußischen Hof. Lambert Schneider Verlag, Heidelberg 2015, 240 Seiten, 29,95 Euro.

Christian Hlavac ist Gartenhistoriker und Publizist. Soeben erschien sein Buch "Die Gartenmanie der Habsburger" (Amalthea Verlag, gemeinsam mit Astrid Göttche).

Wiener Zeitung, Samstag, 28. Mai 2016