Symbol des Wiederaufbaus #
Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 23./24. Juli 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Susanne Breuss
Eine anonyme Amateuraufnahme mit der Pummerin im Bildmittelpunkt, Österreichs größter und berühmtester Kirchenglocke. Historisch lässt sich das Foto leicht einordnen, da die Pummerin nur ein einziges Mal festlich geschmückt auf einem Tieflader durch die Straßen geführt wurde. Aufgenommen wurde es demnach am 26. April 1952 während der Triumphfahrt der (nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg) neu gegossenen Glocke. Aus Linz kommend, wo sie am 25. April aufgebrochen war, traf sie an diesem Tag in Wien ein und erreichte nach ihrem Weg über die Mariahilfer Straße, den Ring und die Kärntner Straße um 16 Uhr den Stephansdom. Die Aufnahme zeigt sie auf der Mariahilfer Straße, auf Höhe der Häuser Nr. 105 und 107. Gehsteige, Fenster und Balkone sind wie auf der gesamten Strecke von Schaulustigen gesäumt.
Es war ein bedeutender historischer Moment, galt doch der Wiedereinzug der Pummerin als ein Symbol für den Wiederaufbau ganz Österreichs. Nun wurde sie feierlich empfangen und geweiht, und zunächst provisorisch im Hof der Dombauhütte auf einem Gerüst zur Besichtigung aufgestellt. Erst im Oktober 1957 konnte sie in den erneuerten Aufbau des Nordturms einziehen.
Die alte Pummerin war 1711 in den Wiener Stephansdom gekommen, wo sie im Südturm aufgezogen wurde. Kaiser Joseph I. hatte sie als Dank für die Befreiung Wiens von den Türken in Auftrag gegeben. Für ihren Guss stellte er 200 erbeutete türkische Kanonen bereit. Gegossen wurde sie am 21. Juli 1711 in der Werkstätte von Johann Achammer im heutigen siebten Wiener Gemeindebezirk. Zunächst erhielt sie die Bezeichnung „Josephinische Glocke“, erst später wurde sie im Volksmund wegen ihres tiefen Klanges „Pummerin“ genannt.
Geschlagen wurde sie schon damals nur zu besonderen Anlässen. Das letzte Mal ertönte sie zu Ostern 1937 (nach einer anderen Version auch zum Einzug Hitlers 1938); in den Jahren des Nationalsozialismus blieb sie stumm. Als gegen Ende des Zweiten Weltkrieges der Stephansdom brannte, stürzte sie am 12. April 1945 in die Tiefe und zerschellte. 1950 verpflichtete sich das Land Oberösterreich, die Kosten für den Neuguss in der Gießerei St. Florian zu tragen. Dafür verwendete man nicht nur die Reste der alten Pummerin, sondern auch jene anderer zerstörter Glocken des Doms.
Susanne Breuss, geboren 1963, ist Kulturwissenschafterin und Kuratorin im Wien Museum.