"Junge und Alte in einem Boot"#
Karl Blecha, Chef des SPÖ-Pensionistenverbands, wird 80 - und sieht keinen Generationenkonflikt#
Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 11. April 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Katharina Schmidt
Blecha will über 24-Stunden-Pflege und sechste Urlaubswoche diskutieren.#
"Wiener Zeitung": Sie werden 80 Jahre alt. Ich werde heuer 30. Werde ich noch eine Pension bekommen, von der ich leben kann?
Karl Blecha: Selbstverständlich. Dafür führen die Seniorenvertreter einen ständigen Kampf.
Sie bestreiten einen Generationenkonflikt. Es bleibt aber das ungute Gefühl, dass sich die Älteren auf Kosten der Jüngeren ein schönes Leben machen.
Das stimmt nicht. Um den Abstand zwischen faktischem Pensionsantrittsalter und Regelpensionsalter zu verringern, brauchen wir eine Arbeitswelt, in der ältere Menschen nicht in die Frühpension gedrängt werden, sondern ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Jobs angeboten erhalten.
Genauso sehen viele einen möglichst frühen Pensionsantritt als erstrebenswert an - und haben dazu auch nach Abschaffung der Invaliditätspension viele Gelegenheiten.
Diese Möglichkeiten werden immer weniger, weil die Pensionssysteme schrittweise harmonisiert werden. Die jüngeren und mittleren Jahrgänge sind alle schon im ASVG-System.
Braucht es nicht ein Bonus-Malus-System, um die Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten?
Ja, für Arbeitnehmer und Unternehmer. Schon jetzt gibt es Abschläge bei früherem Pensionsantritt für den Arbeitnehmer. Aber Leute, die länger arbeiten, sollen auch etwas davon haben. Auch Unternehmer, die Ältere über das derzeit übliche Antrittsalter hinaus beschäftigen, sollen einen Bonus erhalten. Solche, die Ältere hinausmobben, sollen auch für die Kosten aufkommen.
Sie bestreiten also, dass es einen Generationenkonflikt gibt?
Ja, weil wir in einem Boot sitzen. Junge und Alte werden an den Rand gedrückt und wurden oft von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Mittlerweile hat der Seniorenrat den Status eines Sozialpartners, das wollen wir auch für die Jungen erreichen.
Der ÖGB will das Modell der 24-Stunden-Pflege umstellen - die derzeit selbständigen Pflegerinnen sollen angestellt werden. Gefährdet diese Idee nicht das System?
Nein, das ist diskutierenswert. Es ist legitim, dass die Gewerkschaft darauf aufmerksam macht, dass die selbständigen Pflegenden ausgebeutet werden. Wir müssen die mobilen Hilfsdienste stärken, die von den Ländern immer weniger unterstützt werden. Denn diese machen erst die Pflege daheim möglich, die sich die meisten Menschen wünschen.
Aber dafür ist die 24-Stunden-Pflege doch gemacht.
Nein, weil sich das kaum jemand leisten kann. Das ist ein Minderheitenprogramm, das nur zwei Prozent der 440.000 Pflegebedürftigen in Anspruch nehmen.
Vor der Nationalratswahl entstehen immer mehr neue Parteien, die SPÖ blickt stets andächtig auf die Ära Kreisky zurück. Wie kann sich die Sozialdemokratie gegen die neuen Parteien wappnen?
Mit den Rezepten der 70er Jahre wird man die neuen Aufgaben unseres Jahrhunderts nicht lösen, aber man kann einiges abkupfern. Es braucht eine verständliche Politik und Erneuerungsprozesse. Die SPÖ muss ihre guten Ideen besser den Menschen vermitteln. Wichtige Wahlkampfthemen sind Beschäftigung, Gesundheit und Pflege, leistbares Wohnen und die Bildungsreform. Die SPÖ hat sicher die Themenführerschaft beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Vollzeit- statt Teilzeitbeschäftigung muss das Ziel sein.
Eine andere Möglichkeit ist die Reduktion der Wochenarbeitszeit.
Da halte ich eine sechste Urlaubswoche für besser. Die Verlängerung des Urlaubs ab einem bestimmten Alter muss zunächst in den Kollektivverträgen, dann per Gesetz verankert werden.
Sie mussten 1989 im Gefolge der Lucona- und Noricum-Affären Ihre Ämter niederlegen. Wie beurteilen Sie die Situation heute?
Ich halte nichts davon zu sagen, ich hätte etwas da und dort anders machen sollen. Bei der Lucona war es Verleumdung durch ein Buch. Bei Noricum hätte man rückblickend vielleicht die verschiedenen Geschäftsbeziehungen mehr durchleuchten sollen. Mit dem damaligen Wissensstand war das nicht anders zu machen, als wie wir es getan haben.
Wie lange wollen Sie Ihren Job noch machen?
Das hängt davon ab, ob die Leute einen wollen und ob man dazu in der Lage ist. Derzeit ist beides der Fall.
Wie verbringen Sie den Geburtstag?
Mit der Familie und mit dem Bundespräsidenten. Er ist seit mehr als einem halben Jahrhundert mein engster Freund, am Geburtstag treffen wir uns immer.
Zur Person#
Karl "Charly" Blecha, geboren am 16. April 1933, begann seine SPÖ-Karriere als Obmann der Jungen Generation. Blecha war Nationalratsabgeordneter, Zentralsekretär unter Bruno Kreisky und ab 1983 Innenminister. Das Amt musste er 1989 wegen seiner Verwicklung in die Lucona- und Noricum-Affären zurücklegen. Seit 1999 ist er Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands. Im Zivilberuf ist der Vater dreier Töchter Sozialforscher, ihm gehören das Mitropa- und das Ifes-Institut.