Hengdian, die größte Filmstadt der Welt#
Chinas Hollywood#
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Die Bilder wurden vom Autor 1999 aufgenommen. Sie sind Teil des Archives Bilderflut Jontes
Als Teil der Stadt Dongyuan in der Provinz Zhejiang ist Hengdian Sitz der Hengdian World Studios. Diese erstrecken sich über eine Fläche von 330 ha oder fast 500.000 m² und sind somit die größte Filmstadt der Welt. Man nennt sie auch in Anlehnung an die amerikanische Konkurrenz „Chinawood“. Gegründet wurde dieses private Unternehmen in der Mitte der neunzige Jahre von dem Oligarchen Xu Wenrong, der riesige Landwirtdschaftsflächen aufkaufte und hier seine Pläne verwirklichte.
Insgesamt 13 für sich eigenständige Drehzonen ermöglichen mit ihren Nachbauten historischer Architekturen, dass Filme im Mileu von der Qin- bis herauf zur Qing-Dynastie, also über einen Zeitraum von fast 2500 Jahren gedreht werden können. Dies geschah auch und brachte eine Wende im Stil und Aufwand von Filmen aus der chinesischen Geschichte. So entstand hier 2002 der fulminante Streifen Hero des Regisseurs Zhang Yimou, der auch im Westen Furore machte. Das Problem der aberhunderten benötigten Komparsen und Statisten wurde dabei auf geniale Weise gelöst, indem die Bevölkerung etlicher umliegenden Orte dazu eingesetzt wurde.
Die Filmstadt hat noch eine weitere Nutzung. Sie zieht heute zahlreiche Touristen aus aller Welt an, die hier in Führungen die Studios erleben können. Ihnen werden auch kurze Szenen historische Ereignisse vorgespielt. Außerdem können sie an einem einzigen Ort die exakten Nachbauten von Palästen und Tempeln aus ganz China besichtigen. Außerdem sind Straßen aus Kanton/Guangzhou und Hong Kong nachgebaut. Man kann sich auch im berühmten Pekinger buddhistischen Lamatempel umsehen, der auch eine exakte Nachbildung der größten stehenden Holzstatue des Buddha birgt.
Eines der größten Gebäude ist der Kaiserpalast im Stil der frühen Dynastien Qin und Han, also der Zeit, in welcher der erste Kaiser Qin Shi Hungdi China zu einem einheitlichen Reich einte und für seine letzte Ruhestätte die famose Terrakotta-Armee von Xian schaffen ließ. Man kann als Besucher erleben, wie er vor seinem gewaltigen Palast eintrifft, von Kriegern bewacht vom Pferd steigt und den Thronsaal betritt.
Fahnen mit der Devise des Kaisers säumen den Weg zum Palast. Sie werden von Kriegern getragen.
Kaiser Qin Shi Huangdi kommt hoch zu Ross vor seinem Palast an. Er trägt die für seine Epoche bezeichnende Kopfbedeckung mit dem Perlenvorhang vor dem Gesicht. Aus der Nähe beobachtet man, dass es sich um eine eher nachlässige Nachbildung seiner herrscherlichen Kleidung handelt. Im Tageslicht sieht alles etwas billig aus und erstrahlt erst zu prächtige Größe, wenn sich die Lichtflut der Scheinwerfer innerhalb eines Studios über die Szenen und Personen ergießt.
Seine Begleitung besteht aus zahlreichen Personen, vor allem einem weiblichen Hofstaat und vielen Kriegern seiner Leibwache.
Auch die Ausrüstung der Krieger seiner Leibgarede sind mehr für das nachlässige Auge des Touristen berechnet und halten einer historischen Kritik kaum statt.
Wenn die Besucher sich gruppiert haben, will ein Bittsteller ein Attentat auf den Herrscher begehen. Er trägt ein Bündel von Bambusstreifen, auf die ein Gesuch geschrieben ist, denn das Papier wurde erst später erfunden. In der Rolle ist ein Dolch verborgen. Dieser wird jedoch entdeckt und der Attentäter überwältigt.
Eindrucksvoll sind die Nachbauten historischer Architektur aus ganz China. Das größte Gebäude davon ist der kaiserliche Palast im Stil der frühen Dynastien Qin und Han. Dort wurde auch der Film Hero gedreht. Der chinesischen kaiserlichen Spätzeit entstammen die Paläste aus den Dynastien Ming und Qing, weisen also vom 14. bis zum 20. Jahrhundert. Patriotische Gefühle erweckt in den Chinesen auch die rekonstruierte Kopie des Alten Sommerpalastes bei Peking, der im schandbaren Zweiten Opium-Krieg der europäischen Kolonialmächte Großbritanniens und Frankreichs gegen China zerstört wurde. Während desselben vernichteten 1860 deren Truppen aus purem Mutwillen nach umfangreichen Plünderungen den herrlichen Palast Yuanming Yuan mit seinen Gärten. Er liegt am Originalort als Denkmal der Schande immer noch in Trümmern und wird nie mehr aufgebaut. Hier in Hengdian kann man ihn wieder besuchen.
Das staunende Publikum kann das Spektakel aus nächster Nähe begleiten und bewundern. Ob es danach sich vielleicht später mit Geschichte und Kultur des Reiches der Mitte beschäftigen wird, muss fraglich bleiben. Massentourismus hat selten zur Bildung beigetragen.
Nervenkitzel muss also geboten werden und wenn man schon nicht Menschen im Sinne von Gladiatoren miteinander kämpfen lässt, so muss hier am Schluss einer Führung auch ein Hahnenkampf herhalten. Man kann allerdings bei sorgfältiger Beobachtung feststellen, dass den beiden Hähnen die scharfen Sporne und die tödlich hackenden Schnäbel gekürzt worden waren.