Grazer ermöglichen Sprechen ohne Worte #
Dank einer Entwicklung aus Graz können Patienten mit Bewusstseinsstörungen nun doch mit der Außenwelt kommunizieren. #
Mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung, 28. Jänner 2018
Von
Daniela Brescakovic
Gefangen im eigenen Körper. Zu hören, zu denken und zu fühlen, aber nichts dergleichen ausdrücken zu können – für Betroffene des sogenannten Locked-in-Syndroms ist das die harte Realität. Das Syndrom bezeichnet den Zustand, in dem Menschen zwar bei Bewusstsein, aber zumindest teilweise gelähmt und in der Regel völlig sprachunfähig sind. Um die Lebensqualität mit diesem Krankheitsbild zu erhöhen, haben die Grazer Firmengründer Christoph Guger und Günter Edlinger, Alumni der TU Graz, ein System namens „mindBEAGLE“ entwickelt.
Damit geben sie den Patienten nun eine Chance, mit ihrer Umgebung in Kontakt zu treten. Möglich wird das, weil Betroffene im Gegensatz zum Wachkoma ihre Umwelt sehr wohl wahrnehmen: „Je nach Grad der Einschränkung unterscheidet man verschiedene Formen des Syndroms“, erklärt Gerald Pichler, Leiter der neurologischen Abteilung der Albert-Schweitzer- Klinik. „Bei der inkompletten Variante können Patienten nur Kopf, Finger und Augen bewegen. Die totale Form lässt keinerlei motorische Funktionen zu.“ Dabei soll nun das Brain-Computer-Interface (BCI) der Grazer als Schnittstelle zwischen Mensch und Außenwelt fungieren.
Aber wie funktioniert das genau? Konkret werden die Hirnaktivitäten mittels einer neurologischen Messung aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Damit das möglich ist, müssen zunächst Sensoren auf Kopf und Körper des Patienten platziert und mit dem Computersystem verknüpft werden. Die durch diese EEG-Messung erzielten Ergebnisse können dann an einem Bildschirm abgelesen werden – für Ärzte ist das eine Sprache ohne Worte, die zumindest zeigen kann, ob die Betroffenen etwas mögen oder nicht. „Das BCI-System ist keineswegs gefährlich für die Patienten, da es sich um eine nichtinvasive Methode handelt“, so Pichler. Die Patienten werden also keinen chirurgischen Eingriffen unterzogen. Aber für die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine bedarf es erhöhter Konzentration der Patienten. Je nach Ausmaß der Erkrankung ist das System daher nicht bei jedem anwendbar.
„Ein solches Verfahren wird grundsätzlich nur in speziellen Einrichtungen angeboten, sollte ein Patient verlegt oder die Pflege zu Hause fortgesetzt werden, schwindet auch die Möglichkeit der Kommunikation“, erklärt Pichler. Dann liegt es an den Angehörigen, ob eine Privatfinanzierung ermöglicht werden kann. Die Kosten für ein vollständiges BCI-System liegen derzeit nämlich bei rund 30.000 Euro. Das Ziel der Grazer Entwickler ist es, solche Systeme an möglichst viele Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Therapeuten zu verkaufen, sodass die Technologie als mobiler Service angeboten und im besten Fall auch vermietet werden kann.
Mittlerweile kommt das „mindBEAGLE“-System jedenfalls international zum Einsatz, darunter auch an der renommierten Harvard-Universität in den USA. Angehörige und Ärzte haben damit die Gewissheit, dass ihre Worte trotz ausbleibender Rückmeldung gehört werden, was auch Patienten eine angenehmere Behandlung verschaffen soll.
Über das Unternehmen #
Derzeit beschäftigt Guger Technologies, das Unternehmen hinter „mindBEAGLE“, rund 50 Mitarbeiter weltweit, verteilt auf Standorte in Graz, Oberösterreich, Spanien, den USA und Rumänien. Insgesamt beläuft sich der Vertrieb ihrer Medizinprodukte auf mehr als 60 Länder.
Mit seiner innovativen Entwicklung gewann das Unternehmen im Jahr 2013 den Fast Forward Award der Steirischen Wirtschaftsförderung in der Kategorie Kleinunternehmen.