Seite - 18 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Reichtümer enthält, so können es nur potentielle sein, Reichtümer, die in
jahrelanger mühsamer Arbeit der Erde entrungen werden müssen. Aber
Portugals König braucht raschen, greifbaren Gewinn, um die Schulden zu
zahlen. Erst also Indien, Afrika, die Molukken, den Orient! So wird Brasilien
die Cordelia dieses König Lear, die mißachtete der drei Schwestern Asien,
Afrika und Amerika und doch die einzige, die ihm in der Stunde der Not die
Treue halten wird.
Es entspricht also nur der harten Logik der Notwendigkeiten, daß sich das
von seinen phantastischen Erfolgen berauschte Portugal zunächst kaum um
Brasilien kümmert; der Name dringt nicht ins Volk, er beschäftigt nicht die
Phantasie. Die deutschen und italienischen Geographen zeichnen die Linie
der Küste als Brassil oder Terra dos Papagaios auf gut Glück in ihre
Landkarten ein, aber die Terra de Santa Cruz, dieses leere grüne Land hat
nichts, um Anziehung auf Seeleute oder Abenteurer zu üben. Doch wenn
König Manuel weder Zeit noch Neigung hat, dieses neue Land richtig zu
nützen und zu schützen, so ist er doch gleichzeitig nicht gewillt, auch nur
einen Fußbreit dieser Erde andern zu gönnen, weil Brasilien ihm den Seeweg
nach Indien schützt und weil vor allem Portugal in seinem Rausch von Glück
und Eroberungslust mit seiner kleinen Hand am liebsten die ganze Erde
decken möchte. Zäh, ausdauernd und geschickt kämpft er mit Spanien um die
Anerkennung, daß dies Gebiet nach dem Vertrage von Tordesillas in seine
Zone falle; beinahe kommt es zwischen den beiden Ländern zum Konflikt um
eines Landes willen, das keines von ihnen wirklich will und braucht, denn
beide wollen sie nur Edelsteine und Gold. Aber rechtzeitig sehen beide ein,
wie sinnlos es wäre, gegeneinander die Waffen zu wenden, wo sie jeden
Mann und jede Bleikugel benötigen, um die plötzlich ihnen vom Himmel
zugefallenen neuen Welten auszuplündern. 1506 kommt es zu einer Einigung,
die Portugal sein bisher bloß platonisch ausgeübtes Recht auf Brasilien
bestätigt.
Von Spanien, dem mächtigen Nachbarn, ist nun keinerlei Gefahr mehr zu
befürchten. Aber die Franzosen, die bei der Teilung der Erde zwischen
Spanien und Portugal zu kurz gekommen sind, beginnen diesem noch
unbesiedelten und unorganisierten Stück breiter, schöner Erde zusehends ihre
Aufmerksamkeit zu widmen. Immer häufiger erscheinen Schiffe aus Dieppe
und Le Havre, um Brasilholz zu holen, und Portugal hat in den Hafenplätzen
noch keine Schiffe, keine Soldaten, um piratischen Eingriffen zu wehren. Sein
Rechtstitel ist nur ein papierner, und mit einem einzigen raschen Handstreich,
mit fünf, vielleicht sogar bloß mit drei bewaffneten Schiffen könnte sich
Frankreich, wenn es wollte, der ganzen Kolonie bemächtigen. Um die
weitgestreckte Küste zu verteidigen, tut also eines not: sie zu besiedeln. Wenn
die Krone Brasilien zu einem portugiesischen Land machen und es sich als
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Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197