Seite - 34 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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in Frankreich keine anderen Katholiken mehr findet, sich 1556 eine weitere
Ladung Calvinisten aus Genf herüber, was innerhalb der kleinen
Niederlassung bald zu religiösen Zänkereien führt. Zweierlei Prediger, die
sich gegenseitig Ketzer nennen, sind zuviel auf einer engen Insel. Aber
immerhin, die France Antarctique ist begründet, und die Franzosen stehen, da
sie keine Sklavenräuberei dulden, bald in bestem Einvernehmen mit den
Eingeborenen, mit denen sie regen Handel treiben; von nun ab pendeln, als
wäre es ihr rechtmäßiger Hafen, französische Schiffe regelmäßig zwischen
dieser von Frankreich noch nicht offiziell anerkannten Siedlung und dem
Heimatland hin und her.
Dem portugiesischen Gouverneur in Bahia kann dieser Einbruch
keineswegs gleichgültig bleiben. Nach dem damals gültigen Rechtsprinzip
sind die brasilianischen Küsten ein mare clausum, an dessen Küsten fremde
Schiffe weder landen noch Handel treiben dürfen; gar eine Festung mit
fremdem Militär im besten Hafen der Kolonie anzulegen bedeutet die
Trennung von Süden und Norden und damit die Vernichtung der Einheit
Brasiliens. Die natürlichste Aufgabe des Gouverneurs de Sousa wäre, diese
fremden Schiffe zu kapern und die Niederlassung zu schleifen, aber er besitzt
keinerlei Macht zu einer kriegerischen Unternehmung solchen Umfangs. Die
paar hundert Soldaten, die zugleich mit ihm nach Brasilien gekommen waren,
sind unterdes längst Landwirte oder Plantagenbesitzer geworden und wenig
geneigt, nach ihren bequemen Jahren den Harnisch wieder anzulegen; noch
fehlt dem jungen Gebilde jedes Nationalgefühl, jeder Gemeinschaftsgedanke,
in Portugal wiederum die richtige Erkenntnis der Gefahr und wie immer das
notwendige Geld für eine rasche Expedition. Noch immer ist der Krone das
Aschenbrödel Brasilien nicht wichtig genug, um eine kostspielige Flotte
auszurüsten. So bleibt den Franzosen reichlich Zeit, sich ständig zu verstärken
und zu verschanzen; erst wie ein neuer Gouverneur, Mem de Sá 1557 nach
Bahia gesandt wird, beginnt die Vorbereitung einer Aktion gegen die
Eindringlinge. Mem de Sá schenkt Nóbrega rückhaltlos Vertrauen und
unterwirft sich völlig seiner geistigen Autorität. Und Nóbrega ist es
wiederum, der mit seiner ganzen leidenschaftlichen Energie ein rechtzeitiges
Vorgehen gegen die Franzosen fordert. Die Jesuiten kennen das Land besser
und sind mehr um seine Zukunft besorgt als die Kaufleute in Lissabon, die
Länder einzig nach dem momentanen Ertrag ihrer Spezereien bewerten; sie
wissen, daß wenn diese französischen Hugenotten an den brasilianischen
Küsten dauernd Fuß fassen können, nicht nur die Einheit des Landes, sondern
auch die Einheit der Religion für immer zerstört ist. Brief auf Brief senden
abwechselnd der Gouverneur und Nóbrega nach Portugal hinüber, um zu
fordern, daß man faça socorrer a êsse pobre Brasil. Aber Portugal hat – ein
anderer Atlas – eine ganze Welt auf seinen schwachen Schultern zu tragen,
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Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197