Seite - 74 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Gouverneur nicht mehr viel zu verwalten; selbst das Gefängnis bleibt leer,
weil kaum mehr hier einer dem andern etwas zu rauben oder zu stehlen hat.
Der Zyklus des Goldes hat ausgeschwungen.
Vierter Akt dann in zwei gleichzeitigen Szenen, die eine in Portugal, die
andere in Brasilien. Die erste Szene spielt im königlichen Palast von
Lissabon. Der Kronrat ist versammelt. Die Berichte der Tesouraria werden
verlesen, und sie sind erschreckend. Immer weniger Gold aus Brasilien und
immer größer die Schulden im Land. Die industriellen Compagnien, die
Pombai gegründet, stehen vor dem Zusammenbruch, weil man sie nicht mehr
finanzieren kann, der Wiederaufbau Lissabons, so energisch begonnen, ist
gehemmt. Wo Geld schaffen, seit das Gold nicht mehr aus Brasilien strömt,
und wie Ersatz dafür? Die Austreibung der Jesuiten, die angeordnete
Konfiskation ihrer Güter hat nichts geholfen; nach dem ersten Traumreich der
»Lusiaden« ist nun auch das des ewigen Eldorados entschwunden. Tückisch
wie immer hat das Gold nur Glückseligkeit versprochen und nicht gehalten.
Und Portugal muß sich bescheiden, wieder zu werden, was es zuerst gewesen,
ein kleines, stilles und eben um dieser stillen Schönheit willen liebenswertes
Land.
Die andere, gleichzeitige Szene in Minas Gerais in vollkommenem
Gegensatz: die Goldwäscher sind mit ihren Maultieren, Eseln, Sklaven und
ihrer ganzen beweglichen Habe von der unwirtlichen Gebirgsgegend
heruntergezogen und haben das fruchtbare Wiesenland entdeckt. Sie siedeln
sich an, kleine Niederlassungen und Städte entstehen, den São Francisco
entlang fahren die Schiffe, der Verkehr belebt sich, aus einem leeren
unbewohnten, unbebauten Lande wird eine neue, tätige Provinz. Was für
Portugal Verlust, wird für Brasilien Vorteil; für das entschwundene Gold hat
es eine ungleich kostbarere Substanz gewonnen, ein neues Stück seiner Erde
für tätige und fruchtbringende Arbeit.
Dieser Goldsturm nach Minas Gerais stellt in demographischer Hinsicht
eigentlich die erste jener großen Innenimmigrationen dar, die für die nationale
und wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens so entscheidend geworden sind.
Ohne diese immer wiederholten Wanderungen im inneren Raum wäre das
Phänomen unverständlich, daß ein Land von so ungeheurer Ausdehnung in
einem solchen Maße national einheitlich geblieben ist, daß selbst die Sprache
sich kaum in einzelne Dialekte umfärbte und vom Paraná hinauf bis zum
Amazonas, vom Ozean bis in die fast unerreichbare Ferne von Goiaz
dieselben Sitten obwalten und trotz aller klimatischen und beruflichen
Verschiedenheiten der Volkstypus ein einheitlicher geblieben ist. Wie in allen
großräumigen Ländern hat hier der Ansiedler ein anderes Verhältnis zur
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Buch Brasilien - Ein Land der Zukunft"
Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Titel
- Brasilien
- Untertitel
- Ein Land der Zukunft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1941
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 200
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197